Schattenwandler 05. Noah
um den verstörten König erneut zu schlagen, doch ihr Mann packte sie am Handgelenk. Noah wandte sich von den beiden ab und streckte die Hand aus, um sich am Kamin abzustützen, während der Vollstrecker seine aufgebrachte Frau fest an seinen starken Körper zog.
»Es reicht«, flüsterte Jacob an ihrem Ohr in ihr schwarzes, glänzendes Haar. »Es reicht, Liebste.«
»Nein, es reicht nicht«, krächzte Bella rau. »Ich werde dir das nie verzeihen, Noah! Wenn ich bedenke, was alles hätte schiefgehen können, möchte ich am liebsten laut schreien! Ich musste dastehen und Süßholz raspeln und dich hätscheln, während meine Schwester zusammengekauert in einer Ecke saß, gelähmt vor Angst. Du machst mich krank!«
Seine Gattin schrie so laut, dass es Jacob nicht überraschte, als Gideons Hand auf einmal aus dem Nichts auftauchte und Isabella an der Schulter berührte. Der erfahrene Heiler gab ihr keine Gelegenheit, ihn abzuwehren. So hysterisch, wie sie war, wäre ihr das sowieso nicht gelungen.
Also trickste Gideon ihre außer Kontrolle geratene Körperchemie aus, indem er ihr das verzweifelte Verlangen nach Schlaf einpflanzte. Der Wunsch traf sie wie eine Tonne Ziegelsteine, und Isabella brach mitten in ihrer Anklage zusammen. Jacob spürte, wie Magdelegna vorbeieilte, um ihrem Bruder mit dem ihrem Wesen eigenen Mitgefühl beizustehen.
Noah spürte ihre Berührung und schüttelte sie so heftig ab, dass sie mehrere Schritte rückwärts taumelte.
»Tröste mich nicht, Legna! Lass mich in Ruhe!«, knurrte er bedrohlich. »Raus! Alle! Ihr habt hier nichts mehr zu suchen.«
Nachdem er den Befehl ausgestoßen hatte, verwandelte er sich in eine wild flackernde Flamme, die so stark und hell leuchtete, dass alle zurückwichen und ihre Augen schützen mussten.
Als sie wieder klar sehen konnten, war der König verschwunden.
7
Kestra wachte am nächsten Abend mit einem Seufzer auf.
Sie öffnete ihre blauen Augen halb und fühlte weiche Laken und ein weiches Federbett. Sie konnte einen lustvollen Laut nicht unterdrücken. Die Kissen und die Decke waren so weich, dass sie nur aus Daunen sein konnten. Diesmal hatte sie nicht von einem geheimnisvollen und arroganten Liebhaber geträumt, der sie mit seinen Neckereien und Liebkosungen erbarmungslos peinigte, bis sie schweißgebadet erwachte.
Sie rollte sich herum und blickte hinauf zu dem blütenweißen Stoff, der als Baldachin des riesigen Bettes diente, der Mittelpunkt des X war an der Decke befestigt, die viel höher war als die Bettpfosten. Mattes Licht drang von fast allen Seiten herein, doch es waren gedämpfte, silbrige Töne, gesprenkelte Muster an der Decke und auf den Bettvorhängen und dem weiten Baldachin. Ihre Augen suchten in der Dunkelheit nach der Quelle und machten zwei Fensterreihen aus, die aus Buntglas bestanden. Die meisten waren bunt gemischte Formen und Farben, die scheinbar willkürlich zusammengestellt worden waren. Ein paar hatten eine kunstvollere und klarere Gestaltung, wundervolle Motive eines Waldes und einer Häusersiedlung aus buntem Glas.
Kestra stützte die Hände auf die Matratze und richtete sich auf, um ihre Umgebung besser betrachten zu können, und sie versuchte, die Schläfrigkeit abzuschütteln, um sich daran zu erinnern, in welchem Land sie war und welches Hotel ein so wunderbares altmodisches Zimmer hatte.
Doch sie erstarrte mitten in der Bewegung, als sie einen Ohrensessel erblickte, der dicht neben ihrem Bett stand und zu ihr hingedreht war, so als hätte jemand sie stundenlang beobachtet. Sie suchte rasch den Raum ab und sah die tanzenden Schatten, die von dem flackernden Feuer des Eckkamins erzeugt wurden. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass jemand im Raum war und sie beobachtete, obwohl sie in der Dämmerung nichts erkennen konnte.
Das Rätsel klärte sich schlagartig auf. Die Person machte eine Bewegung, die Kestras Blick auf ihre imposante, schwach umrissene Silhouette lenkte. Kestras reflexartige Reaktion war feindselig und abwehrend, und rasch legte sie sich eine verbale Drohung zurecht.
Und in diesem Moment erstarrten sie beide.
Als er den Kopf ein wenig drehte, hatte sie das Gefühl, dass er sie sogar in der Dunkelheit taxierte, und sie wurde von Erinnerungen, Instinkten und Gefühlen überschwemmt. Sie öffnete den Mund, bekam jedoch kein Wort heraus. Alle Nervenverbindungen in ihrem Gehirn waren mit Informationen und Fragen überlastet.
Noah sagte nichts, und das einzige Geräusch in dem riesigen Raum war
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