Schatz, schmeckts dir nicht
silbrig schimmernd die kleinen Sardinen, sattgrün die Zucchini – der Genuss begann mit dem Anblick der kulinarischen Genüsse. Die bereits üppig wuchernden Pflanzen auf der Terrasse verstärkten den Eindruck, in südlichen Gefilden zu weilen. Überall hatte Helene große Glasgefäße, die bis zur Hälfte mit Sand gefüllt waren, verteilt und abwechselnd mit blauen und grünen Kerzen bestückt. Nach Sonnenuntergang würden diese Windlichter die passende stimmungsvolle Beleuchtung liefern.
»Es ist wirklich herrlich bei dir, Helene! Es fehlt nur noch das Meeresrauschen und ich sitze in meinem kleinen Lieblingsrestaurant an der Riviera!«
Enthusiastisch streckte Susanne beide Arme in den saphirblauen Abendhimmel.
»Allerdings müsste mein Liebster an meiner Seite sein.«
Das war typisch Susanne! Man war noch beim Aperitif – einem gut gekühlten, weißen Port – und sie kannte die anderen Frauen wenig bis gar nicht, trotzdem hätte sie gerne allen brühwarm sämtliche Einzelheiten über ihren aktuellen Lover mitgeteilt. Es fehlte nur das geeignete Stichwort und sie wäre nicht mehr zu bremsen. Zum Glück sah sich Ulli genötigt, angesichts der äußerst kunstvoll angerichteten Köstlichkeiten auf der Tafel, die noch ihrer Bestimmung harrten, erst einmal zu einer allgemeinen Minute der Bewunderung und Andacht aufzurufen. Wahrscheinlich hatte sie auch Hunger. Und so zollten die Damen der Gastgeberin reichlich Vorschusslorbeeren, die diese stolz und freudig, wenn auch mit einer gewissen Routine entgegennahm. Nun konnten sich alle mit Eifer auf die kalte Gazpacho stürzen, grünen Spargel unter Gorgonzola genießen, gefüllte Kürbisblüten, das spanische Omelett, Mozzarella in carozza, Salade Niςoise und der Herrlichkeiten mehr.
Es wurde still bis auf Besteckgeklapper, begeisterte Wohllaute und Empfehlungen, auch ja dies oder jenes zu probieren. Wie Helene es vorausgesehen hatte, konnten die Damen nicht so schnell von den Speisen lassen, sondern pickten immer wieder suchend in den aufgefahrenen Schüsseln und Platten herum.
»Ich kann nicht mehr!« Elfriede legte endlich erschöpft ihr Besteck auf den Teller.
»Schade eigentlich, denn wann kann ich mich wieder an solch erlesenen Spezialitäten laben?« Sie ließ einen Lobgesang auf Helenes Magie des Kochens, wie sie es bezeichnete, vom Stapel, in den die Runde fröhlich einstimmte. Selbst Diane zollte freimütig Anerkennung. Sie erschien Helene heute weniger als sonst bemüht, sich von den anderen abzugrenzen und ihre ganz besonderen Auffassungen unter faszinierte Zuhörer zu streuen – bisher jedenfalls, und es waren ja auch keine da, denn so eine Frauenrunde hatte ihre eigenen Gesetze. Durch Lautstärke oder ein besonders brisantes, vielleicht auch pikantes Thema, musste man sich hier Gehör verschaffen. Unbeobachtet von männlichen Wesen, fiel bei manchen die damenhafte Contenance plötzlich ab. Ausgerechnet Dorothea lupfte bei Tisch ihren Rock, um ihre verödeten Krampfadern zu zeigen. Elfriede knöpfte demonstrativ den obersten Knopf ihrer Hose auf, kommentierte, dass sie wohl doch etwas zu knapp gekauft habe, und atmete erleichtert durch. Daraufhin zeigte Ulli den praktischen Gummibund ihrer Hose, der sich – jedenfalls bis zu einer gewissen Grenze – ihrem ansehnlichen Umfang anpasste.
Helene erhob sich unauffällig, um ihres Amtes zu walten, und lehnte wie immer die ihr angebotene Hilfe ab. So diskret wie möglich entfernte sie die geleerten Platten und Teller und entzündete dann die Windlichter, da sich die Dunkelheit langsam über die Stadt senkte. Während sie Wasser und Wein nachfüllte, herrschte um sie herum munteres Geplauder, ab und zu unterbrochen von Gelächter oder einem wonnevollen Kreischen.
Elfriede forderte wieder einmal eine Antwort auf die ungelöste Frage, ob Männer einfach von Natur aus eine höhere Toleranzschwelle gegenüber Schmutz und Unordung hätten, da auch Peregrin, ihr partnerschaftlich-emanzipatorisch erzogener Sohn, in dieser Hinsicht erhebliche Mängel aufwies. Er nutzte seine wechselnden Freundinnen schamlos für Putz- und Aufräumarbeiten aus, rührte selbst aber keinen Finger. Halten die Frauen es für ein Zeichen von Liebe, wenn sie stinkende Socken waschen dürfen? So sehr sie sich bemühten, auch diesmal fanden sie keine befriedigenden Antworten.
Ulli versuchte dann das Gespräch auf ihr Lieblingsthema Ernährung zu bringen.
»Also neulich bei meinem Zahnarzt, da habe ich was Faszinierendes
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