Schatz, schmeckts dir nicht
unerträglich. Und Helene fühlte sich in dieser Situation ziemlich allein, denn auf die Frauen der beiden anderen Partner war überhaupt kein Verlass. Die waren entweder naiv oder desinteressiert oder beides. Sie wollten nicht wahrhaben, worauf dieses typische Verhaltensmuster hinauslief.
Doch dann geschah etwas, das alles wieder zum Guten wendete. Plötzlich gingen Jans Büro drei Aufträge durch die Lappen und es war klar, dass dem Mitbewerber, der den Zuschlag erhielt, vertrauliche Informationen zugespielt worden waren. Der Verdacht fiel sofort auf die Supersekretärin, da sie früher in dem Konkurrenzunternehmen tätig gewesen war. Sie beteuerte natürlich ihre Unschuld, voller Verzweiflung über diesen bösen Verdacht, und schlussendlich war ihr auch nichts nachzuweisen. Doch, ob schuldig oder nicht, die Vertrauensbasis war zerstört und sie zog es vor, zu kündigen, da sie in dieser vergifteten Atmosphäre nicht mehr atmen konnte, wie sie gekränkt sagte. So hatte sich das Problem gelöst wie von selbst, resümierte Helene zufrieden in der Erinnerung. Na ja, fast wie von selbst. Für eine Frau mit Phantasie nur eine einfache Übung.
Jan und sie hatten über Jahre ihr Zusammenleben geübt und Helene fand, dass es sich, dank ihrer unmerklichen Regie, ständig perfektioniert hatte. Sie hatte unendliches Verständnis für seine viele Arbeit und konnte auf diese Weise auch ungestört ihren eigenen Interessen nachgehen. Die Zeit, die sie gemeinsam verbrachten, gestaltete sich harmonisch. Gut, da waren keine Höhen, aber auch keine Tiefen, und Helene vermisste die Dramatik einer leidenschaftlicheren, aber auch komplizierteren Beziehung absolut nicht. Auch im Bett hatten sie nach den vielen gemeinsamen Jahren noch ihren Spaß, wenn auch etwas seltener als früher. Helene war mit der Einrichtung ihres Lebens rundum zufrieden und wollte weder selbst daran rütteln, noch irgendeinem anderen dies erlauben. Eine Art wohligen Stolzes erfüllte sie. Aus dieser sicheren Position heraus fand sie Hans’ Werben doppelt amüsant, und es tat ihr überhaupt nicht leid, dass er sich umsonst bemühen würde.
Jetzt baten Graf und Gräfin ihre Gäste zum Festmenü in den Rittersaal, der seinem Namen durch gekreuzte Schwerter, Morgensterne und Lanzen an den Wänden sowie sechs aufgestellte Ritterrüstungen alle Ehre machte. Die bescheidene Zahl von 14 Damen und Herren, die sich in der gleichen Tischordnung wie am Abend zuvor um die festlich gedeckte Tafel gruppierten, nahm sich in der Weite des Saales, der gut die fünffache Menge an Gästen aufnehmen konnte, etwas verloren aus. Doch die gemeinsamen Jagd- und Küchenerlebnisse schafften nichtsdestotrotz eine vertraute und gelöste Atmosphäre. Die Gräfin hatte heute feinsten Damast aufgedeckt. Die dazugehörigen Servietten steckten in silbernen Ringen, funkelnde Kristallkelche standen neben schwersilbernem Tafelbesteck und ebensolchen, mehrarmigen Kerzenleuchtern. Zwei große Sträuße mit den voll erblühten, betörend duftenden Rosen aus dem Schlossgarten, in allen erdenklichen Schattierungen von Rot, rundeten den Tischschmuck ab.
Gespannt und nicht ohne Stolz schauten die Köche den von ihnen miterschaffenen Genüssen entgegen, die nun von den Hausangestellten serviert wurden. Als Vorspeise hatte die Gräfin gedünstete Schwarzwurzeln in einer leichten Vinaigrette gewählt. Bereits beim Zubereiten in der Schlossküche war man sich einig, dass dieses Gemüse nicht den Platz in der heutigen Küche einnahm, den es verdiente. Mit seinem feinen Geschmack und dem angenehmen Biss war es durchaus dem als Edelgemüse geltenden Spargel vergleichbar. Das einzig mühsame war das Schälen, da die frischen Stangen einen unangenehm klebrigen Saft absonderten, der sich nur schwer wieder von den Händen entfernen ließ. Dies wohlwissend hatte sich Helene erfolgreich vor dem Schwarzwurzelputzen gedrückt und den Betroffenen dann nur den Tipp gegeben, dass Spiritus dafür ein gutes Reinigungsmittel sei.
Knackig nussige Mini-Sesambrötchen, die allerdings nicht hausgemacht waren, sondern vom Bäcker aus dem Nachbarort stammten, wurden zusammen mit gesalzener Butter zu den Schwarzwurzeln gereicht und man konzentrierte sich an der Tafel aufs Essen. Bald wurden erste Komplimente für die Kochfraktion hörbar und es schien allen prächtig zu schmecken. Herr von Warthenstein nutzte die kleine Unterbrechung vor dem Hauptgericht, um auf den Tischwein hinzuweisen, einen schweren, samtenen Roten von
Weitere Kostenlose Bücher