Schatz, schmeckts dir nicht
Aussage steckte.
»Weißt du, Jan ist mir in der kurzen Zeit meines Hierseins sehr wichtig geworden. Er ist ein sehr angenehmer Kollege und ein ganz besonderer Mensch. Aber das brauche ich dir nicht zu erzählen. Ja, und da liegt es doch nahe, dass auch wir beide uns besser kennen lernen sollten.«
Dieses Verschwisterungsgesäusel drohte bei Helene Magenkrämpfe auszulösen. Da ihr aber keine andere Wahl blieb, rettete sie sich in ein vielsagend lächelndes Schweigen. Bevor ihre Gesichtsmuskeln gänzlich zu verkrampfen drohten, erinnerte sie sich ihres Gastgeschenkes und überreichte die kleine Terrakottaschale, in die sie einige Ableger ihrer Küchenkräuter gepflanzt hatte, zwischen denen der Nachdruck einer Glückwunschkarte aus der Jahrhundertwende steckte mit der Aufschrift »Glück und Segen im neuen Heim!«. Scheinbar hatte sie das Richtige ausgewählt.
»Was für eine schöne Idee! Seht doch mal!« Die Umstehenden, allen voran June, die über unendliche Begeisterungsfähigkeit zu verfügen schien, stimmten voll Anerkennung ein.
»Ein Geschenk voller Leben! Da muss ich euch ja versprechen, dass ich für das Wachsen und Gedeihen der Kräutlein sorgen und dabei immer an euch denken werde. Vielen Dank, Helene und Jan!«
Trotz dieser hymnischen Dankesworte – Helene konnte das Gefühl nicht beiseite schieben, mit geduldiger Nachsicht behandelt zu werden, wie eine arme Unwissende, die noch nicht begriffen hat, worum es geht. Oder aber wie ein störendes Element, das man wohl oder übel ertragen musste. Dianes Gegenwart schaffte es immer wieder, dass sie sich selbst ungeschickt, mittelmäßig und oberflächlich vorkam.
Es bimmelte wieder und June führte neue Gäste herein. Diane äußerte die Hoffnung, dass man später sicher die Zeit zum Reden finden werde. Jetzt musste sie erst einmal herzen und küssen gehen, denn es waren wieder einmal ihr sehr wichtige, sehr liebe Menschen, die da in der Tür standen.
Helene schnupperte. Irgendwie roch es hier wie in einer katholischen Kirche. Leise Musik perlte durch den Raum, die wie sanftes Meeresrauschen in regelmäßigem Rhythmus an- und abschwoll. Sie schaute sich um. Bis auf Dorothea und Herrn Stöckl war wieder die ganze Büroclique versammelt, gluckte natürlich in einer Ecke zusammen und wirkte erstaunlich homogen. Jan ging seine Leute begrüßen.
»Du bist eine Freundin von Diane?« Eine sanfte Männerstimme, ein sanftes Lächeln. Irritiert schaute Helene den Fragenden an.
»Ich, äh, ja – sozusagen.«
»Das ist schön. Ich bin Nityam.«
»Helene.« Eigentlich war Helene dieses »Du«, diese Art ungefragter Vertraulichkeit, überhaupt nicht recht, doch ein Blick auf diesen Nityam und andere Partygäste machte ihr klar, dass sie hier unangenehm auffallen würde, wenn sie sich dem verweigerte.
Nityam hörte nicht auf, sie lächelnd anzuschauen, wiegte dabei sanft sein Haupt und schien jedem ihrer und auch seiner Worte in seinem Inneren noch lange nachspüren. Er hatte eine Stirnglatze, trug aber die Reste seines dünnen Haares lang und zu einem mageren Zopf gebunden. Mit seinem scharf geschnittenen, dunkel gebräunten Gesicht, erinnerte er Helene trotz seiner sanften Tour an einen Raubvogel, und seinen Blick fand sie eher unverschämt, denn offen und ehrlich.
»Helene, woher kennst du Diane?«
»Sie ist freie Mitarbeiterin im Architekturbüro meines Mannes.«
»Ja, davon hat sie erzählt. Sie ist eine beeindruckende Frau, ja, ja.« In diesem Aufseufzen lagen Bewunderung und Bedauern dicht nebeneinander. Er war wohl nicht ihr Typ.
»Ich habe Diane vor Jahren auf einem von Felix organisierten Workshop kennen gelernt, auf dem ich damals als Yogalehrer dabei war.«
Nityam, der ein weites Jakobinerhemd trug, in dessen Ausschnitt eine Holzperlenkette mit einer Art Amulett baumelte, und dazu eine hautenge, rote Samthose, machte eine abwartende Pause und Helene stellte brav fest: »Yogalehrer, wie interessant.«
»Das ist schon lange her. Inzwischen habe ich mein eigenes Institut auf dem Lande, in Brandenburg. Wir bieten alles an von Reiki über Rebirthing, Kinesiologie, Vollmond-Schwitzhütten-Zeremonien und, und, und. In die Stadt komme ich nur, wenn ich unbedingt muss. Da draußen ist es so herrlich! Wir leben fast autark von unserem biologisch angebauten Obst und Gemüse. Komm doch auch mal zu einem offenen Wochenende zu uns.« Nityam schaute ihr tief in die Augen
»Ich bin Spezialist für Tantra Yoga und ich denke, ich kann auch dir, Helene,
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