Schatzfinder
verwurzelten Nähe zur Realität halten sie nur für wahr, was sie unmittelbar selbst erlebt haben. Wenn jemand erzählt, was er selbst erlebt hat, glauben sie das gerade noch – aber jenseits davon verläuft eine Grenze, die sich sogar in ihrer Sprache abbildet. Für Dinge, die einer selbst oder ein Mensch, den er selbst kennt, erlebt hat, gibt es grammatikalische Formen. Für alles andere gibt es keine Ausdrucksform, weil es sie in ihrem Verständnis nicht gibt. David Everett erfuhr diese kulturelle Unmittelbarkeit auf eindrückliche Weise.
Als er den Indianern, bei denen er zu Gast war, in bester Absicht von Jesus Christus erzählte, fragten sie ihn, ob er ihn persönlich kenne. Als er das verneinen musste, schauten sie ihn verblüfft an. Weil sie so freundlich sind, gingen sie ans Äußerste des Denkbaren und fragten ihn, ob denn sein Vater oder wenigstens ein Freund Jesus persönlich kenne. Everett verneinte erneut. Doch dann wurden die Indianer ärgerlich: Er soll gefälligst aufhören, sie mit so einem Stuss zu belästigen. Und wie er überhaupt darauf komme, so einen Unsinn zu glauben, bei dem er nie mittelbar beteiligt war. Hörensagen ist eben nicht die Wahrheit. Das war den Indianern viel bewusster als dem Missionar.
Was an all dem, was Sie täglich denken und für wahr halten, beruht auf Hörensagen?
Was aber an all dem, was Sie täglich denken und für wahr halten, beruht auf Hörensagen? Wie viel von dem, über das Sie täglich reden, haben Sie wirklich selbst erlebt?
Weltverwirklichung
Aus all dem bleibt eigentlich nur ein Schluss zu ziehen: Fakten, Fakten, Fakten? Das gibt es nicht. Alles, was wir für faktisch wahr halten, besteht nur auf subjektiven Wahrnehmungen und kollektiven Übereinkünften. Alles ist Interpretation. Die Wahrheit ist letztlich genauso wahr, wie wir selbst wollen. Sie besteht aus einem Krümelchen sinnlicher Information, der Rest ist Deutung.So eine Wahrheit enthält jedenfalls realistischerweise ziemlich wenig Realität.
Wenn wir nun feststellen, dass es keine Wirklichkeit gibt, dann stellt sich die Frage, ob es eine Wahrheit gibt. Kann es eine Wahrheit geben, wenn es keine Wirklichkeit gibt? Und wenn es keine Wirklichkeit gibt, gibt es dann keine Wahrheit? Und wie geht man mit der Wahrheit um, wenn es keine gibt? Wenn es nun keine Wirklichkeit gibt und auch keine Wahrheit gibt, gibt es dann Grenzen?
Unser geistiger Horizont ist selbst gesetzt. Unsere Wirklichkeit gründet auf ziemlich seichtem Boden. Mit dem Begriff Wirklichkeit beschreiben wir all das, was bis heute der Fall ist. Was wir sehen und für wahr halten, hängt von der Perspektive ab, die wir selbst einnehmen. Und wenn wir schon mal dabei sind, unsere Welt selbst zu konstruieren, dann können wir doch gleich dafür sorgen, dass wir sie so bauen, wie es für uns am besten ist.
Die Grenzen, die wir sehen, sind nur da, weil wir sie uns selbst gesetzt haben.
Die Grenzen, die wir sehen, sind nur da, weil wir sie uns selbst gesetzt haben.
Von den Grenzen gibt es zweierlei. Die eine Art der Grenzen ist in unserer Erfahrung begründet. Wir sagten: Kein Mensch kann die 100 Meter unter 10 Sekunden laufen. Kein Mensch kann bis zum Mond und zurück fliegen. Kein Mensch kann ohne Fallschirm aus 700 Metern Höhe aus dem Hubschrauber springen und überleben. Jeder hat das geglaubt. So lange, bis es doch geschehen ist: Jim Hines lief 1968 in Mexiko die 100 Meter in 9,95 Sekunden, Neil Armstrong betrat 1969 als erster Mensch den Mond, kehrte zurück und ist 2012 verstorben, und der Brite Gary Connery sprang 2012 ohne Fallschirm aus einem Hubschrauber in 730 Metern Höhe und landete in einem Stapel Kartons – unversehrt.
Wo sind jetzt die Grenzen? Bei neun Sekunden? Auf dem Mars? Beim freien Fall aus dem Weltraum auf die Erde? Unsere Erfahrung – unser bisher Gelebtes und Erlebtes – hat hier Grenzen gesetzt. Und da war noch Felix Baumgartner.
An allen drei Projekten wird übrigens bereits gearbeitet …
Die andere Sorte Grenzen sind wie die Ich-Wahrheit. Wie eine Interpretation hat irgendjemand oder man selbst das einfach so festlegt. Es ist die Idee einer Grenze. Ob die stimmt oder nicht, spielt keine Rolle. Das Dramatische dabei ist, dass wir bei vielen Ideen einer Grenze den gedanklichen Sprung machen, dass wir glauben, dass diese Grenzen wirklich existieren oder wir bestimmte Bedingungen zum Überschreiten der Grenze nicht erfüllen. Dem ist jedoch meist nicht so. Auch hier müssen wir zweifeln und uns fragen:
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