Schicksal in zarter Hand
mir.“
„Ja, ja, die ideale Vaterfigur!“, höhnte er.
„Nenn ihn nicht so! Er ist nur zwölf Jahre älter als ich, also nicht alt genug, um mein Vater zu sein.“
„Dann eben Onkel“, verbesserte Franco. „Wie auch immer – seine Vorliebe für dich war, krass ausgedrückt, zum Kotzen!“
„Nein, wie du mich behandelt hast, war ekelhaft!“, konterte Lexi.
Zu ihrer Überraschung stand er auf und ging zum Barschrank, wobei er wieder deutlich humpelte. Ihm war anzumerken, wie sehr ihn das störte.
„Wenn ich dir sage, dass ich mich ehrlich schäme wegen der Wette, können wir dann einen Strich unter die Sache ziehen, Lexi?“
Sie war sich nicht sicher, obwohl sie ihm ansah, dass er seine Worte völlig aufrichtig meinte.
„Mir hat es damals das Herz gebrochen“, sagte sie traurig.
Er seufzte. „Es tut mir leid, Lexi, wirklich, auch wenn das als Entschuldigung ein bisschen schwach klingt. Claudia war eifersüchtig auf dich, und sie wusste genau, wie sie dich am schlimmsten treffen konnte.“
Ja, das war ihr schon damals klar gewesen, aber es hatte den Kummer kein bisschen gelindert.
„Sie hat sich auch bitterlich dafür geschämt“, fuhr Franco fort. „Vor allem, als dann so kurz darauf deine Mutter starb und …“
„Meine Welt in Scherben ging“, beendete Lexi den Satz. „Ich verzeihe euch beiden. Ich verzeihe dir sogar, dass du schon vorher plötzlich so abweisend geworden bist, richtig kalt. Und dass du dann so ungern mit mir verheiratet warst. Damals habe ich dich ebenso gehasst wie du mich.“
Sie musste tief durchatmen, um den Mut zu finden, auch das andere zu sagen.
„Doch ich kann dir niemals verzeihen, dass du dich in unserem Bett in unserem Apartment mit Claudia vergnügt hast, während ich im Krankenhaus lag und unser Baby verloren habe. Und jetzt“, sie stand auf, „gehe ich ins Bett. Allein.“
„Moment mal“, rief Franco erregt. „Ich war nie mit Claudia im Bett!“
„Ach nein? Seit Handys auch als Kameras verwendet werden, muss man immer damit rechnen, geknipst zu werden!“ Rasch ging sie zur Tür. „Und auch wenn viele das Gegenteil behaupten, finde ich, dass Bilder nicht lügen.“
„Lexi, komm sofort zurück!“, rief er zornig, während sie aus dem Esszimmer lief.
Wenn er so wütend war, wollte sie ihm lieber nicht zu nahe kommen. Als sie auf halber Höhe der Treppe war, hörte sie unten ein ominöses Krachen, dann einen Schwall von Flüchen.
„Ich hoffe nur, dass du jetzt auf dein Lügenmaul gefallen bist, Francesco Tolle!“, rief Lexi mitleidslos. „Das war wirklich ein toller Ausflug in die Vergangenheit. Danke fürs Mitnehmen!“
Dann lief sie weiter nach oben und in ihr Zimmer. Was aus Franco wurde, war ihr momentan völlig egal.
Franco rappelte sich mühsam hoch und entdeckte Zeta, die an der offenen Tür stand und ihn entsetzt ansah. Der Stuhl, über den er in seiner Hast gestolpert war, lag umgestürzt auf dem Boden, daneben die Flasche Wein, mit der er sein Glas hatte nachfüllen wollen. Die rote Flüssigkeit tropfte auf den Boden.
„Sagen Sie bloß nichts, Zeta!“, herrschte Franco seine Haushälterin an.
„Hat … hat sie Ihnen das angetan?“
„Meine Frau kann mir antun, was sie will!“, erwiderte er schroff und rieb sich die Schulter. „Sie kann mir eine geladene Pistole an den Kopf setzen und abdrücken, falls ihr der Sinn danach steht. Das ist ihr gutes Recht. Autsch! Verdammt“, fluchte er, als er sein Gewicht auf das verletzte Bein zu verlagern versuchte und ein so höllischer Schmerz ihn durchzuckte, dass er beinah nochmals hingefallen wäre.
Zeta eilte zu ihm, um ihm behilflich zu sein, aber er scheuchte sie weg.
„Schon gut“, sagte er etwas friedlicher und setzte sich. „Lassen Sie mich einfach allein. Das hier geht nur Lexi und mich an, und wir brauchen keine Zeugen, wenn wir uns wie Idioten aufführen.“
Lexi saß auf dem Bett und fragte sich, was sie hier überhaupt noch wollte. Die Erinnerungen, die sie so lange verdrängt hatte, waren in Scharen über sie hergefallen, und es tat noch so weh wie damals, als es passiert war.
Am liebsten hätte sie sich in einer Ecke verkrochen und sich die Augen ausgeweint. Nein, genauso gern wäre sie zurück nach unten gerannt, um Franco noch die eine oder andere Anschuldigung an den Kopf zu werfen, weil sie ihn so glühend hasste.
Da saß sie also wieder in seinem Haus, allein hier in dieser Suite, die nichts weiter war als eine luxuriöse Gefängniszelle – und
Weitere Kostenlose Bücher