Schicksalspfade
lernte konzentriert für die Schule und erzielte hervorragende Leistungen. Während die Pubertät für ihre Klassenkameraden eine Zeit des Durcheinanders war, stellte sie für B’Elanna eine Phase der Ruhe und Gelassenheit dar.
So blieb es zumindest eine Zeit lang.
Als Kind hatte B’Elanna eine schützende Barriere entwickelt, die es ihr erlaubte, geflüsterte Bemerkungen und unhöfliche Kommentare zu überhören – sie merkte es gar nicht, wenn ihr jemand Aufmerksamkeit schenkte. Deshalb entging es ihr, dass die Jungen in der Schule begannen, ihr interessierte Blicke zuzuwerfen und untereinander zu flüstern, wenn sie
vorbeikam. B’Elanna hatte keine Ahnung, dass ihre gelassene Unnahbarkeit sie noch begehrenswerter machte.
Spät an einem Nachmittag im Sommer ging sie zum See und brach mit ihrem Boot zu einer fünf Kilometer entfernten Insel auf. Jenen Ort mochte sie besonders gem. Dort gab es viele Bäche, kleine Täler und schattige Ecken, die sie als Kind entdeckt und als eine Art Bühne benutzt hatte, auf der sie in andere Rollen schlüpfen konnte. So stellte sie sich vor, eine Prinzessin zu sein, eine berühmte Forscherin oder eine Dichterin, eine Person, die von Millionen verehrt wurde und deren Gesellschaft man suchte. Jetzt war sie älter, aber die Insel schaffte es noch immer, magische Gefühle in ihr zu wecken. Ein anderer Traum ersetzte den, eine Prinzessin zu sein, einer, der sich fast ebenso schwer verwirklichen ließ: Sie dachte daran, die Starfleet-Akademie zu besuchen, so wie ihr Vater.
Eine solche Möglichkeit wäre ihr wohl kaum in den Sinn gekommen, wenn ihre Mutter nicht von einem Klingonen
erzählt hätte, dem es tatsächlich gelungen war, einen Platz an der Akademie zu erhalten – ein Junge, dessen Eltern auf Khitomer den Tod gefunden hatten und der bei Menschen aufgewachsen war. Dieses Wissen brannte in B’Elanna,
zunächst als kleine Flamme, dann immer heißer.
Diesmal wollte sie zur Insel, um sich dort in die Rolle eines Akademie-Kadetten zu versetzen. Sie besaß ein Buch, das von ihrem Vater stammte, mit Bildern von der berühmten
Ausbildungsstätte. Stundenlang hatte sie sie betrachtet und versucht, sich mit der Umgebung vertraut zu machen. In ihrer Vorstellung ging sie über die makellosen Wege, besuchte den Unterricht in den beeindruckend wirkenden Gebäuden und segelte in der Bucht von San Francisco – ein beliebter Zeitvertreib der Bewohner, wenn man dem Buch glauben
konnte.
Ein kräftiger Wind blies und die Fahrt zur Insel dauerte nicht länger als zehn Minuten. Die Gischt hatte B’Elanna völlig durchnässt, als sie das Boot auf den Strand zog, aber das machte ihr nichts aus. Im Gegenteil: Sie fühlte sich belebt und erfrischt.
Sie ging zu einer hübschen kleinen Lichtung an einem Bach, dessen Wasser über glatte Steine plätscherte, nahm Platz und lehnte den Rücken an einen Baum mit glatter Borke. Dann schloss sie die Augen und dachte an die verschiedenen Kurse, die sie belegen würde. Sie träumte nicht wirklich von einer beruflichen Laufbahn bei Starfleet – so etwas schien außerhalb ihrer Reichweite zu sein –, sondern beschränkte sich darauf, die Akademie zu besuchen und dort die Fächer zu wählen, die ihr gefielen. Zum Beispiel Kunst und Literatur. Sie fand es herrlich, immerzu lesen zu können und dafür auch noch mit guten Noten belohnt zu werden.
Sie wollte sich auch mit der Geschichte der Erde befassen.
Die endlosen Schilderungen ihrer Mutter hatten sie mit der klingonischen Geschichte vertraut gemacht und sie wollte mehr über ihr anderes Erbe erfahren, das ihr nobler erschien.
Sie sehnte sich danach, von Königen und Königinnen zu hören, von dem jahrtausendelangen Kampf um
Menschenrechte, Demokratie und Frieden, von dem langen Weg zum Garten Eden, zum Juwel der Föderation, das die Erde heute war.
Sie war nie auf der Erde gewesen, hatte aber das Gefühl, sie zu kennen, auf ihren Wiesen und in ihren Bergen unterwegs gewesen zu sein. Die Erde war ein Paradies, nach dem sie sich sehnte, und die Starfleet-Akademie kam dem Weg zu jenem Paradies gleich.
Das Knacken eines Zweigs auf dem Boden weckte B’Elanna aus ihren Träumereien und wachsam stand sie auf.
Gelegentlich kamen andere Jugendliche mit Hovercrafts zur Insel, aber meistens blieben sie am Strand und wagten sich nicht so weit landeinwärts vor. Wer störte sie an ihrem speziellen Ort?
Das Rascheln im Gebüsch wies auf mehrere Personen hin und B’Elanna hörte unterschiedliche
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