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Schief gewickelt (German Edition)

Schief gewickelt (German Edition)

Titel: Schief gewickelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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verstehen.
    So, jetzt Dortmund gegen Kaiserslautern. Komm, Lautern! Schieß dich aus der Krise! Eine deftige Heimpleite für die Gelben, und der Abend wäre schon halb perfekt. Jawoll! Altintop macht ihn rein! 0:1! Ich beginne schon, im Kopf die hämische Mail an Hubert zu formulieren.
    Daniel kommt rein.
    »Ich will noch mal Ballett gucken.« Warum das jetzt?
    Ach so. Ich höre im Hintergrund, dass Simone wieder am Telefon hängt und meine Sportschau nicht verteidigen kann. Jetzt muss ich kreativ sein. Ich nehme ihn auf den Schoß.
    »Guck mal Daniel, das ist Ballett mit Ball.«
    Daniel guckt eine halbe Minute.
    »Aber die tanzen nicht so gut.«
    Okay, ich muss ihn anders kriegen.
    »Guck mal, die Gelben sind die Bösen und die Roten sind die Guten. Die Roten sollen gewinnen. Die sollen den Ball ins Tor schießen. O nein, die Gelben haben den Ball … Hurra, daneben! Kein Tor! Jetzt die Roten.«
    Daniel beißt an.
    »Die Roten sollen ein Tor schießen!«
    Ecke Zandi, Kopfball Altintop.
    »O nein, Daniel! Daneben!«
    »O nein, daneben! O nein, die Gelben! Die sollen kein Tor schießen, Papa!«
    Na also, das wird doch. Leider verliert Lautern am Ende 3:1.
    »Haben die Roten nicht gewonnen?«
    »Leider nein.«
    Auweia, Daniel kämpft mit den Tränen. Nicht doch. Nicht wegen Lautern.
    »Macht nichts. Die Roten gewinnen bestimmt nächstes Mal.«
    »Bestimmt nächstes Mal.«
    Jetzt Wolfsburg gegen Gladbach.
    »Wer soll jetzt gewinnen, Papa?«
    Mir doch egal. Aber ich muss ihn bei der Stange halten.
    »Die Grünen sollen gewinnen.«
    »Die Grünen sollen gewinnen. O nein, daneben! O nein, die Weißen …«
    Es läuft wie am Schnürchen. Wolfsburg gewinnt. Dann kommt endlich mein Spiel: Duisburg gegen Bayern. Gebt alles! Ihr habt nichts zu verlieren!
    »Ohhh, wieder die Roten. Jetzt gewinnen die Roten, Papa.«
    »Um Himmels willen! Auf keinen Fall! Jetzt sollen die Blauen gewinnen!«
    »Aber ich will, dass die Roten gewinnen. Die Blauen sind böse.«
    »Nein, die Blauen sind gut! Die Blauen sind die Besten!«
    »Aber die Roten sind auch gut.«
    »Die Roten sind nur gut, wenn sie gegen die Gelben spielen. Verstehst du? Die Gelben sind am bösesten. Die Roten sind mittelböse und die Blauen sind die Guten. Ist doch ganz einfach.«
    »Und die Grünen sind auch gut?«
    »Von mir aus, solange sie nicht gegen die Blauen spielen. Merk dir einfach, die Blauen sollen immer gewinnen und die Gelben sollen nie gewinnen. Der Rest ist egal. Alles klar?«
    »Alles klar.«
    »Na also.«
    »Kann ich jetzt wieder den Ballett gucken?«
    *
    Abends im Bett beschließe ich, neben der Zehn-Gründe-warum-es-doch-nicht-so-schlimm-ist-ein-Kind-zuhaben-Liste auch eine Mindestens-dreißig-Gründe-warum-es-ziemlich-schlimm-ist-ein-Kind-zu-haben-Liste, anzulegen: Spielplätze, rassistische Barbedienungen, weggebrochene Zuwendung, verkümmertes Sexualleben, Gefahr, dass der falsche Fußballklub ins traute Heim eindringt – wenn ich lange genug nachdächte, könnte ich wahrscheinlich die dreißig Gründe allein aus dem heutigen Tag extrahieren, aber ich schlafe vorher erschöpft ein. Zum Glück weiß ich noch nicht, dass das heute noch gar nichts war, im Vergleich zu dem, was noch kommt.

3 W EICHSITZ
    Der nächste Tag beginnt großartig: Ich wache von alleine auf. Kurz gestutzt, weil das wirklich ungewöhnlich ist, aber nein – es war weder Daniel, der aus irgendeinem Grund brüllt, noch Simone, die mich wachrüttelt, weil Daniel aus irgendeinem Grund brüllt. Nein, ich merke ganz von selbst, dass die letzten Traumfetzen auf einmal weg und das weiche Kopfkissen, die leichten Schmerzen von der Zerrung in der linken Wade und der abgestandene Geschmack in meinem Mund echt sind.
    Für mich ist es purer Luxus, morgens Zeit für solche Empfindungen zu haben. Ich strecke mich ein wenig und versuche mir über weitere Einzelheiten meiner Situation klarzuwerden.
    Simone?
    Nicht da. Vermutlich irgendwann nachts zu Daniel umgezogen, weil er sich gemuckst hat.
    Welcher Wochentag? / Muss ich aufstehen?
    Sonntag. / Nein.
    Will ich aufstehen?
    Doppelnein.
    Irgendwas Besonderes heute?
    Nicht dass ich wüsste … Oder doch, da war irgendwas … Mal überlegen … Ach ja, Gretas Geburtstag. Heute Nachmittag.
    Ich mag Greta. Sie ist ruhig und ausgeglichen, ihr Lachen verzaubert mich, und wenn wir genügend Zeit füreinander hätten, hätten wir uns sicher viel zu sagen. Manchmal denke ich, Greta könnte meine beste Freundin sein. Aber Greta ist gerade mal zwei

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