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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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würde, an dem sie glücklich und traurig zugleich gewesen war. Nur der Gedanke, Roddy wiederzusehen, gab ihr Kraft. Sie hatte ein Telegramm vorausgeschickt und hoffte, jemand würde sie abholen, denn sie wusste nicht, wo das neue Haus lag. Es war ein grauer, regnerischer Tag, passend zu ihrer Stimmung. Was, wenn der Besuch ein Fehlschlag werden würde?
    Als der Zug einfuhr, sah sie Fabriken und Schornsteine, breite Straßen mit Lastwagen, die Geschäftigkeit der Stadt. Akron entwickelte sich zu Wohlstand und Bedeutung. War es wirklich schon fast dreizehn Jahre her, seit sie den Ort verlassen hatte? Sie nahm ihren Koffer und die Pakete und versuchte, nicht zu zittern. Vor Aufregung war sie den ganzen Tag schon ganz fahrig.
    Dann sah sie ihn auf dem Bahnsteig: ihren Sohn. Er war kein pausbäckiger Junge in kurzen Kniehosen mehr, sondern ein schlaksiger Jüngling mit einem Schopf langer blonder Haare in langer Flanellhose und Jackett. Er war selbst gekommen – ein gutes Zeichen. Es verschlug ihr fast den Atem, wie groß und gutaussehend er war. »Oh, Roddy! Ich habe dich so vermisst.«
    Sie wollte ihn umarmen, spürte jedoch, dass ihm die öffentliche Zuneigungsbekundung peinlich wäre. Sie hatte es schon so oft beobachtet, wenn Eltern ihre Jungen zur Fahrt ins Internat am Schuljahresbeginn in ihre Obhut gaben: die kleinen klammerten sich fest, und die großen schluckten nur und husteten und taten, als wäre das alles keine große Sache.
    »Du siehst gut aus.« Roddy lächelte höflich und streckte ihr seine Hand entgegen. »Hattest du eine gute Reise? Grandma erwartet uns zum Tee. Das Haus wird dir gefallen.« Er nahm ihren Koffer und bot ihr den Arm. Sie hätte schreien mögen vor Schmerz über die lange Trennung und nun diese quälende Höflichkeit. Wer war dieser junge Mann? Plötzlich bekam Celeste Angst.
Ich habe ihn verloren. Es wird nie mehr so sein wie früher.
Und noch eine andere Angst befiel sie. Wie sollte sie nach diesen wenigen kostbaren Tagen weiterleben? Sie holte tief Luft. Nun, sie war hier, ihr Traum hatte sich endlich erfüllt, und nichts sollte dieses Wiedersehen verderben!
    Das Haus wirkte überladen, die protzige Nachbildung einer italienischen Villa mit Erkern und Verzierungen an allen Ecken. Es hatte eine breite Auffahrt mit einem großen schmiedeeisernen Tor, das extra für sie geöffnet wurde. Harriet stand am Eingang, ein Schatten ihres früheren Selbst, kleiner und schmaler, in einem langen grauen Rock und hochgeschlossener weißer Bluse wie zu Vorkriegszeiten. Sie hatte fast weiße Haare und trug eine Brille.
    »Du bist also da«, sagte Harriet so kühl, dass es deutlich unhöflich war.
    »Ja, ich bin hier. Ich kann nicht fassen, wie groß Roddy geworden ist.«
    »Grover ist geschäftlich unterwegs, also haben wir das Haus eine Weile für uns. Roderick wird dich auf dein Zimmer bringen. Um vier Uhr gibt es Tee im Wintergarten. Ich bin sicher, du möchtest dich vorher etwas frisch machen und ausruhen.«
    Das würde schwerer, als Celeste erwartet hatte, doch sie war froh, dass Grover weg war. Sie blickte zum Himmel, der sich ein wenig aufhellte. »Was ich viel lieber möchte, wäre ein flotter Spaziergang – ich habe auf der Zugfahrt so lange gesessen. Roddy, kannst du etwas empfehlen, wo wir jetzt schön frische Luft schnappen könnten?« Sie sah ihren Sohn an. Am wichtigsten war ihr jetzt, Zeit mit ihrem Sohn allein zu verbringen.
    »Cuyahoga Falls – der Pfad am Flussbett ist schön, aber nicht in solchen Schuhen.« Lächelnd blickte er auf sie hinunter. Sie staunte noch immer über seine Körpergröße.
    »Gib mir fünf Minuten, um auszupacken und mich umzuziehen. Ich habe die richtigen Schuhe dabei.« Sie bemühte sich, locker und dennoch entschlossen zu klingen.
    »Also dann Tee um fünf?«, fragte Roddy.
    »Wenn es sein muss.« Harriet seufzte und läutete die Glocke für die Bediensteten. »Aber verspätet euch nicht.«
    »Wann bin ich je zu spät gekommen?«, meinte Roddy nur und grinste. Celeste merkte, wie sie sich entspannte. Ein Funken Hoffnung keimte in ihr auf. Wenn dieser Besuch gut verliefe, wäre er vielleicht der erste von vielen. Und vielleicht, vielleicht würde Roddy irgendwann später zu ihr zurückkehren.
    Roddy kam es ganz merkwürdig vor, dass seine Mutter auf einmal hier war und mit ihm den Flussweg entlangging, als wären sie nie getrennt gewesen. Sie erzählte ihm alle möglichen Neuigkeiten: von Onkel Selwyns neuer Mission, Kriegsveteranen zu helfen, von

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