Schiffsmeldungen
mir, wie man strickt. Ich strick’ dir ein Weihnachtsgeschenk. Das ist ganz schön schwierig.«
»Ja, du lieber Gott«, sagte Quoyle. »Und du bist erst vier.«
»Es ist so ein Trick, Dad, es ist nämlich bloß ein langer, langer, dicker Faden, und der wird zu einem Schal. Aber ich kann ihn dir nicht zeigen.«
»Verrätst du da ein bestimmtes Geheimnis?« fragte Beety.
»Ja«, antwortete Sunshine strahlend.
»Bis später«, sagte Quoyle.
»Bis dann!« rief Dennis ungeduldig.
Quoyle und Nutbeem brauchten eineinhalb Stunden, um zu dem Wohnwagen zu kommen. Sie hielten bei dem Laden mit Alkohollizenz, wo sie Kisten mit Bier und Rum in den Kombi luden, bis er hinten durchhing, fuhren zum einzigen Supermarkt der Stadt und stapelten auf dem Rücksitz in Plastik eingeschweißte Partyteller mit Schinken, Truthahn, kaltem Auf-schnitt und rotäugigen Oliven, holten dann in der Fischfabrik eine Wanne Eis, die Nutbeem irgendwie aufs Dach band. Es wurde früh dunkel. Noch ein paar Wochen bis zur Wintersonnwende.
»Ist das nicht zuviel?« fragte Quoyle. »Zuviel von allem?«
»Du vergißt die freien Mitarbeiter und die Anzeigenkunden und die beiden scharfsinnigen Kritiker, Benny Fudge und Adonis Collard, die für uns die Restaurantkolumne schreiben. Hast du ihre letzte gelesen? Eine Art ›Führer für gebratene Bologneser Wurst in Neufundland‹. Dann kommt dein Kumpel, der alte Bursche vom Hafen unten, und der Typ vom Gericht, der mir die Meldungen über sexuellen Mißbrauch liefert. Und dann kommt um Mitternacht immer noch der eine oder andere vorbei. Und vielleicht fünfzig Leute, die einfach reinschauen. Du wirst schon sehen. Killick-Claw ist ’ne Party-Stadt. Darum hab’ ich gut zwanzig Liter Rum gekauft.«
»Gebratene Bologneser Wurst schmeckt eigentlich nicht schlecht«, sagte Quoyle.
»Du bist zum Einheimischen geworden.«
Sie fuhren ans Südende über eine einspurige Brücke zu einem Wohnwagen hinter einer Häusergruppe. Ein verblaßtes Pastellrosa, darauf ein mit Schablone gezeichneter Zierstreifen aus Mädchen mit Schirmen, ein niedriger Lattenzaun. An den Stufen lehnte Nutbeems schäbiges Fahrrad.
»In den richtigen Häusern wohnen die Goodlads«, sagte Nutbeem. »Fischer. In dem grünen Haus Lambie, John und seine Mutter, in den anderen die beiden jüngeren Söhne, Ray in dem rot-weißen und Sammy in dem blauen. Der älteste Sohn ist Meeresbiologe in St. John’s. Das ist sein Wohnwagen. Letzten Sommer kam er einmal rauf, fuhr aber nach zwei Tagen wieder. War auf dem Weg nach Neuseeland, um irgendeine Art exotischen Krebs der südlichen Halbkugel zu studieren. « Nutbeem selbst fühlte sich zu Krebsen nur im kulinarischen Sinn hingezogen, obwohl er, wenn er zuviel davon aß, an den Unterarmen einen Ausschlag bekam.
»Komm rein«, sagte er und öffnete die Tür.
Ein ganz normaler Wohnwagen, dachte Quoyle, mit Synthetikteppichboden, Kabäuschen als Schlafabteilen, einem Wohnzimmer wie auf einem Foto aus den sechziger Jahren – außer den vier riesengroßen Lautsprechern, die wie Leibwächter in den Ecken standen -, einer schrankgroßen Küche mit Minikühlschrank und -herd, einer Spüle, in der Quoyles beide Hände kaum Platz hatten. Das Bad hatte eine Besonderheit. Quoyle schaute hinein, sah zusammengerollt wie ein Jagdhorn auf der Matte einen gelben Schlauch liegen und in der Duschkabine ein halbes Plastikfaß.
»Was ist das denn?« fragte er Nutbeem.
»Ich habe mich nach einer Badewanne gesehnt – ist immer noch mein Traum. In den Fässern wird Melasse verschifft. Ich habe also eine Hälfte abgesägt und sie hier reingestellt. Ich kann mich darin zusammenkauern. Ist nicht besonders befriedigend, aber besser als ein kalter Plastikvorhang, der sich einem um den Leib wickelt.«
Wieder im Wohnzimmer, sagte Nutbeem: »Warte, bis du das hörst«, und schaltete einen Turm von Akustikelementen an. Rote und grüne Lichtstreifen, leuchtende Digitalanzeigen, pulsierende Kurvenlinien, orangerote Schriftzeichen erwachten zum Leben. Aus den Lautsprechern ein Geräusch wie aus der Lunge eines Riesen. Nutbeem legte eine silberne CD ein, und im Wohnwagen begann es zu donnern. Die Musik war so laut, daß Quoyle kein einziges Instrument unterscheiden konnte, nichts als ein rhythmisch hämmernder Klang, der ihm die Atome umgruppierte und jeden Gedanken zermalmte.
Quoyle rammte die Bierflaschen in die Eiswanne, half Nutbeern, den Tisch an die Wand zu schieben. Das über die Partyteller gespannte Plastik
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