Schloss der Liebe
Schönheit ist, aber ich hielt es nicht für wichtig.«
Ihren Einwand tat Severin mit einer Handbewegung
ab. Trist mauzte leise. Severin begann sein glänzendes Fell mit lang gezogenen Bewegungen zu streicheln, ganz wie er Hastings Rücken gestreichelt hatte, vom Nacken bis zu den Schenkeln. Das gleiche lange, zärtliche Streicheln. Was ging hier vor?
»Wer ist diese Frau mit dem Silberhaar? Es scheint, dass du sie kennst.«
»Ja, ich kenne sie schon ihr ganzes Leben lang. Als ich siebzehn war, wollte ich sie heiraten, aber ich war nur der Zweitgeborene und ihr Vater wollte sie mit einem vermögenden Mann vermählen. Dann hat sie den alten Baron Lipwait geheiratet, und ich schloss mich den Kreuzzügen im Heiligen Land an. Dort begegnete ich Graelam und dem König.«
»Das war wirklich ein großes Glück für dich, nicht wahr? Weil du sie getroffen hast und sie dich für stark und einen Ehrenmann hielten, zählst du heute zu den reichsten Männern Englands.«
Er antwortete nichts und fuhr fort, über Trists Fell zu streichen.
»Du hast sie also seit acht Jahren nicht mehr gesehen. Das ist eine lange Zeit, Severin. Menschen ändern sich. Ihre Gefühle ändern sich. Haben sich deine nicht geändert?«
Gwent betrat den Saal, mit Beamis an seiner Seite. Sie schienen über irgendetwas zu streiten.
»Mylord«, rief Beamis schon von weitem, »Lady Marjorie wünscht, mit dem Kind auszureiten! Was sagt Ihr dazu?«
Severin sprang so schnell von seinem Stuhl auf, dass der Wolfshund Edgar seinen Kopf hob und bellte. Er schien Hastings, die kaum zwei Schritte von ihm entfernt war, vollkommen vergessen zu haben. »Sie brauchen Schutz. Ich werde mit ihnen reiten.« Ohne ein weiteres Wort eilte er aus dem Großen Saal.
Kurze Zeit später vertraute sich Hastings Dame
Agnes an. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, aber seit Severin diese Frau gesehen hat, ist er nicht mehr derselbe.« Sie war dabei, Severin aus feinster Wolle in einem sanften, warmen Grauton eine Tunika zu nähen. Glücklicherweise zitterten ihre Hände nicht und ihre Stimme klang ruhig, aber innerlich spürte sie eine Kälte, die keine Wärme der Welt vertreiben konnte; nur Severin wäre dazu in der Lage gewesen. »Er ist mit ihr und dem Kind ausgeritten. Er scheint sie regelrecht anzubeten. Ihr Haar sei wie gesponnenes Silber und glänze im Sonnenlicht. Ich habe Lord Severin noch nie so reden hören.«
»Das hat nichts zu bedeuten«, meinte Dame Agnes und versetzte der jungen Frau einen leichten Klaps. Sie kannte Hastings, seit sie sie vor fast neunzehn Jahren aus dem Leib ihrer Mutter gezogen hatte. Aus einem kleinen Mädchen war eine selbstbewusste, warmherzige junge Dame geworden. Aber jetzt wirkte sie blass und in sich gekehrt. »Sieh dir nur diesen Stich an, er sitzt falsch. Wie wäre es, wenn du die Arbeit eine Weile zur Seite legst und wir uns ein bisschen unterhalten?«
Hastings ließ die Tunika auf ihre Knie sinken und strich sie geistesabwesend mit den Händen glatt. Tief in Gedanken versunken blickte sie ins Leere. »Er sah aus, als wäre er völlig verzaubert. Was sollte das anderes bedeuten, als dass er sie anbetet? Als er noch ein Junge war, hat er sich in sie verliebt, aber er konnte sie nicht haben, weil er der Zweitgeborene war und nicht über genügend Vermögen verfügte. Er liebt sie immer noch.«
»Nein, das glaube ich nicht. Es ist möglich, dass er sie immer noch mit den Augen des Jünglings, der er war, betrachtet, aber das wird kaum von Dauer sein. Lord Severin ist nicht so einfältig wie Sir Roger. Er hat dir die Treue gelobt. Du bist seine Frau und wirst ihm seine Kinder gebären. Du bist die Erbin von Oxborough. Ohne dich bliebe ihm nichts als sein starker Arm und diesen Arm müsste er in die Dienste fremder Herren stellen. Hier ist er sein eigener Herr. Er hat dir so viel zu verdanken: eine Zukunft, die Möglichkeit, seine eigenen Ländereien wiederherzurichten. Du hast ihm seine Mutter zurückgegeben. Vergiss das nicht, Hastings. Diese Lady Marjorie - bah, sie ist nichts als eine aus Unwirklichkeit gewebte Erinnerung, eine Chimäre, ein Traum aus den vergangenen Tagen eines Jungen.«
»Was du da sagst, klingt so richtig und vernünftig.« Hastings sah zu Dame Agnes auf. »Aber du hast seinen Gesichtsausdruck nicht gesehen, als er vor einer Stunde mit ihr gesprochen hat. Du hast nicht gesehen, wie er gar nicht schnell genug den Saal verlassen konnte, um mit ihr auszureiten. Es wartet so viel Arbeit, aber er hat
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