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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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reichen.
    Kaum hatte ich die erste Gabel Nudeln in den Mund gesteckt,
läutete das Telefon. Kauend hob ich ab.
    »Herr Koller, wie schön«, gurrte meine Auftraggeberin. »Man
erreicht Sie ja überhaupt nicht.«
    »Ich war den ganzen Morgen unterwegs. In Ihrem Auftrag, Frau
von Wonnegut.«
    »Das hatte ich gehofft. Gibt es schon erste Erkenntnisse?«
    Aber jede Menge, dachte ich. Woll ist ein Arschloch, Nagel
ein Weichei, die Orchestermusiker lassen um Viertel nach elf den Hammer fallen,
der dicke Barth-Hufelang legt Garderobendamen flach. Finger weg von klassischer
Musik, Frau von Wonnegut. Sie schadet Ihrem ästhetischen Empfinden.
    »Erkenntnisse?«, gab ich zurück. »Es wird. Einfach ist es
nicht. Ein verzwickter Fall.«
    »Wie steht es mit Herrn Nagel, wenn ich einmal so direkt
fragen darf?«
    Natürlich dürfen Sie, Gnädigste. Schließlich zahlen Sie
dafür. Wenn auch weniger, als Sie sollten. Über die Spesen hole ich alles
wieder rein.
    »Es sieht ganz gut aus«, sagte ich. »Jedenfalls nicht
schlecht. Ich habe einen Zeugen aufgetrieben, der Nagel entlasten könnte.«
    »Na, da bin ich aber erleichtert. Was heißt, ich? Wir alle
sind es, Herr Koller. Machen Sie weiter so.«
    »Frau von Wonnegut?«
    »Bitte?«
    »Ich hätte eine Frage. Wer sitzt eigentlich in einem
Sinfonieorchester neben den Klarinetten, und zwar vom Zuschauer aus gesehen
rechts? Mir fällt der Name einfach nicht ein.«
    »Die Fagotte.«
    »Die Fagotte, natürlich. Manchmal steht man neben sich. Nur
Käse im Kopf. Kennen Sie das?«
    »Ich freue mich auf weitere Ergebnisse, Herr Koller«, sagte
sie nach kurzem Zögern. Sie klang ein wenig pikiert. Vermutlich fand sie es
unanständig, mit Käse im Kopf neben sich zu stehen.
    »Die bekommen Sie«, versprach ich und legte auf. Mein Essen
war nur noch lauwarm.
    Später machte ich es mir auf dem Sofa bequem und überdachte
den Fall Annette Nierzwa. Von Anfang an hatte ich mich gesträubt, in die
Geschichte hineingezogen zu werden, und das mit Recht. Als Einzelkämpfer hatte
ich keine Chance, einen Mord aufzuklären. Das war Sache der Polizei. Mein
Arrangement mit Frau von Wonnegut – ein bisschen herumschnüffeln, eine Tendenz
ermitteln, Informationen abgreifen – ging in Ordnung, hatte allerdings seine
Tücken. Auch das war mir von Beginn an klar gewesen. Diese Musiker! Nicht meine
Wellenlänge. Nach außen machten sie einen auf heile Welt der Töne, intern
bekriegten sie sich. Siehe Woll. Oder sie kehrten ihre gegenseitige Abneigung
unter den Teppich. Siehe Nagel und Barth-Hufelang. Bei den Opernsängern
herrschte ständig Zickenalarm, nur am Abend malten sich alle einen Kussmund ins
Gesicht und hatten sich lieb. Und ob die Frau mit dem Holzprügel eine Ausnahme
darstellte, würde sich zeigen. Ich hatte vergessen, meine Auftraggeberin zu fragen,
wo man Fagottmundstücke kaufen konnte, aber wahrscheinlich kümmerte sie sich
nicht um solche handwerklichen Details.
    Fattys Anruf riss mich aus einem kurzen Nickerchen. Wortreich
lud er mich zum Abendessen ein. Eva würde kommen, da könnten wir uns schön
kennen lernen, er würde etwas kochen und ein Weinchen besorgen …
    »Stopp«, sagte ich. »Wer bitte will was kochen?«
    »Ich natürlich«, erwiderte er, als handle es sich um eine
Selbstverständlichkeit. Das Gegenteil ist der Fall: Fatty hat noch nie für mich
gekocht, und wenn er es einmal versuchte, musste ich nach spätestens zehn
Minuten eingreifen, um das Schlimmste zu verhindern. Außerdem kommt er alle
paar Wochen mit einer neuen Diät an, in der das, was ich unter warmer Mahlzeit
verstehe, keine Daseinsberechtigung hat.
    »Du willst kochen?«, hakte ich nach. »Und was, wenn ich
fragen darf?«
    »Überraschung!«, rief er. »Nicht einmal Eva weiß es.«
    »Heute Abend wird es nichts mit mir. Morgen vielleicht.«
    »Auch gut«, freute er sich. »Ich sage Eva Bescheid. Dann lernt
ihr euch schön kennen, ich besorge ein Weinchen …«
    »Und kochen willst du morgen auch?«
    »Was glaubst du denn?«
    »Soll ich was mitbringen? Etwas, was in deiner Küche fehlt,
Salz zum Beispiel?«
    »Depp! Bring anständige Manieren mit und rasier dich. Wir
haben Damenbesuch.«
    Rasieren war gut. Fatty hasst die tägliche Rasur noch mehr
als ich; nicht nur, weil sie lästig ist, sondern weil dann seine
Schweinchenhaut noch rosiger glänzt als sonst. »Ich werde meine beste Fliege
umbinden«, sagte ich. »Die vom Abiball.«
    »Erwürg dich nicht«, kicherte

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