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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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Mühe verhindern, daß ihre Langeweile offensichtlich wurde. Sie gab vor zuzuhören, doch ihre Gedanken waren bei etwas ganz anderem. Beunruhigt runzelte sie die Stirn. Kitty war eben an ihr vorübergetanzt, in den Armen von Arthur Nestlewood, dem Sohn der Hausherrin. Falls sie richtig mitgezählt hatte, war dies bereits der vierte Tanz, den die beiden zusammen absolvierten. Das war absolut nicht comme il faut. Bereits zwei Tänze mit demselben Herrn getanzt, berechtigte zu der Vermutung, die beiden hätten Tendre füreinander gefaßt.
    Sicher war mehreren Anwesenden aufgefallen, wie oft Kitty mit Mr. Nestlewood tanzte, und sie konnte nur hoffen, daß nicht bereits Vermutungen darüber angestellt wurden, daß eine Verlobung unmittelbar bevorstand. Sie kannte Kittys Geschmack. Sie kannte ihre hochfliegenden Pläne für die Saison in London. Und auch aus ihrem Gesichtsausdruck zu schließen war sie alles andere als glücklich, so sehr von diesem Mann in Beschlag genommen zu werden. Es schien,als könne sie sich seiner Gunstbezeugungen kaum erwehren. Da fiel Mary Anns Blick zu einer der Fensternischen. Dort stand die Hausherrin selbst, umringt von einigen ihrer Freundinnen, und wies eben mit stolzem Blick auf das vorbeitanzende Paar. Mary Ann biß die Zähne zusammen. Es war zu offensichtlich, daß Lady Nestlewood ihren Sohn darin unterstützte, sich eine reiche Erbin zu angeln. Sie mußte Kitty augenblicklich aus den Fängen dieses jungen Mannes befreien. Doch wie sollte sie das anstellen, ohne Aufsehen zu erregen? Ihr Blick schweifte weiter und blieb wie von selbst an der Eingangstür des Ballsaales hängen. Mit einem Schlag waren alle ihre Gedanken vergessen. Denn in der offenen Tür stand, eindrucksvoll in einen Abendanzug aus mattem Rostrot gekleidet, niemand anderer als Reverend Bernard Westbourne. Seine Augen glitten über die anwesenden Gäste. Kein Lächeln zeigte sich auf den wohlgeschwungenen Lippen. Wie gut tat es, sein hübsches, ernstes Gesicht zu sehen. Die brünetten, stets wohlfrisierten Haare, die elegante Krawattennadel auf dem sorgsam gebundenen Halstuch. Mary Ann überlegte, wie sie ihn auf sich aufmerksam machen könnte, da hatte er sie auch schon entdeckt. Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen. Mit klopfendem Herzen sah Mary Ann ihre kühnsten Vorstellungen Wirklichkeit werden. Der Reverend schien so begeistert von ihrem Anblick zu sein, daß er nicht in der Lage war, auch nur einen Ton hervorzubringen. Es würde nicht mehr lange dauern, da würde er vor sie hintreten, sie um den nächsten Tanz bitten! Er würde seine Bewunderung ausdrücken, ihr sein Herz zu Füßen legen…
    »Miss Rivingston!« seine fassungslose Stimme klang laut und deutlich vernehmbar durch den Ballsaal. So manche Unterhaltung wurde abrupt unterbrochen, und neugierige Blicke wandten sich ihm zu. Mit energischen Schritten drängte er sich durch die erstaunte Menge.
    Mary Anns Mut sank. Es hatte nicht den Anschein, als wäre er sehr erfreut, sie hier zu sehen. Eben diesen Moment wählte die Kapelle aus, um eine Pause einzulegen. Es war plötzlich still im Ballsaal. Nur ein paar Leute am anderen Ende des Raumes, die nichts von der spannungsgeladenen Stimmung mitbekommen hatten, die sicheben in der Umgebung des Reverend breitmachte, unterhielten sich weiter und prosteten sich laut lachend zu. Das Aufsehen, das sie erregte, war Mary Ann zutiefst peinlich.
    »Reverend Westbourne«, sagte sie, als er zu ihr hintrat. Sie errötete und sank artig in einen Knicks. »Welche Überraschung, Sie hier zu sehen.«
    »Ich kann mir denken, daß Sie nicht mit meinem Erscheinen gerechnet haben«, entgegnete der Geistliche nicht gerade scharfsinnig. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie es sonst gewagt hätten, diesen Ball zu besuchen. Sie kommen umgehend mit mir. Ich bringe Sie nach Hause.«
    Mary Ann war, als sehe sie ihn zum ersten Mal. Natürlich, er hatte recht, es war nicht richtig, wenn eine junge Dame ohne Anstandsdame an derartigen Vergnügungen teilnahm. Und doch regte sich Widerspruch in ihr. Sie war hier nicht in der Schule. Er war hier nicht ihr Lehrer. Sie wollte, daß er ihr Komplimente machte, sie umwarb. Nicht, daß er Befehle erteilte. Energisch straffte sie die Schultern und sagte mit mehr Entschiedenheit, als sie tatsächlich empfand: »Ich habe noch nicht vor aufzubrechen, Sir.« Sie wandte sich demonstrativ wieder dem jungen Baron zu, der offenen Mundes und mit verstörtem Blick ihrer Unterhaltung gefolgt war. »Bitte

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