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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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wollte.
    »Natürlich nur, wenn es Ihnen recht ist«, sagte er.
    Klara zögerte. Er konnte sie gut verstehen. Sie wollte sich selbst
behaupten und keinen brauchen, der sie beschützte. Auf der anderen Seite hatte
sie Angst.
    Sie gab sich einen Ruck und lächelte.
    »Also gut«, sagte sie leise. »Danke.«
    Ingeborg hatte ein Feldbett in ihrem Nähzimmer aufgebaut,
einem kleinen Raum voller Wäscheberge, dessen schmales Fenster hinaus zum Hof
führte. Hambrock schlief nicht besonders gut in dieser Nacht. Immer wieder
wachte er mit schmerzenden Knochen auf und versuchte, eine bequemere Position
auf der harten Matratze einzunehmen. Als er um kurz nach sechs erneut erwachte,
glaubte er, dass es mit der Nachtruhe endgültig vorbei wäre. Zermürbt setzte er
sich auf und massierte seine linke Schulter, auf der er zuletzt gelegen hatte.
    Er musste an das Telefonat denken, das er am Vorabend mit seiner
Frau geführt hatte. Erlend hatte natürlich genau so reagiert, wie er erwartet
hatte.
    »Mensch, Bernhard, muss das denn sein? Dass du keine Zeit hast zu
kochen, ist eine Sache. Aber musst du gleich über Nacht in dieser Bauernschaft
bleiben?«
    »Es tut mir leid, aber was soll ich denn machen? Ich kann es nicht
ändern.«
    Erlend sagte nichts, doch er wusste genau, was sie dachte: Wenn er
wirklich gewollt hätte, wäre es kein Problem gewesen, nach Hause zu kommen.
    »Die Kollegen vom Streifendienst haben zweifelsfrei Besseres zu tun,
als mich quer durch das Sturmtief nach Hause zu fahren«, verteidigte er sich.
    Aber sie ging nicht darauf ein.
    »Ich wusste gar nicht, dass du Freunde in Birkenkotten hast«, sagte
sie. »Wer ist das denn, bei dem du übernachtest?«
    »Nun ja, es ist eher eine flüchtige Bekannte als eine Freundin. Von
früher. Kennst du nicht.«
    »Als ihr den Einsatz in Birkenkotten bekommen habt, hast du gar
nicht erwähnt, dass du dort jemanden kennst.«
    »Weil es nicht wichtig ist. Ich kenne sie noch von meiner Zeit bei
der Landjugend. Vennhues ist nicht weit entfernt, wie du weißt.«
    »Aha.« Eine Pause entstand. »Wie heißt sie denn?«
    »Ingeborg Merschkötter. Wie gesagt, ich kenne sie kaum. Trotzdem war
es nett von ihr, mich hier unterzubringen. So muss ich bei dem Unwetter nicht
zurück.«
    Erlend schien darüber nachzudenken.
    »Hattest du mal was mit dieser Ingeborg?«
    »Nein!« Ihm wurde heiß. »Wie kommst du darauf? Sie ist nicht mehr
als eine flüchtige Bekannte, die ich im Zuge der Ermittlungen wiedergetroffen
habe.«
    Erlend zögerte. »Also gut. Ich will dir mal glauben.« Dann fügte sie
mit einer derart frostigen Stimme, dass Hambrock glaubte, sein Herz würde
gefrieren, hinzu: »Was wären wir, wenn wir einander nicht vertrauen könnten.«
    Es war wirklich kein erfreuliches Gespräch gewesen.
    Er reckte sich und blickte zum Fenster, das hinter einer Jalousie
verborgen lag. Mit den Fingern schob er zwei Lamellen auseinander und blickte
hindurch. Draußen auf dem Hof brannte die Außenbeleuchtung, Ingeborg hatte sie
über Nacht angelassen. Im Schein der Lampe sah er, dass sich der Regen in
Eisregen verwandelt hatte. Die Temperaturen waren weiter gefallen, und auf dem
Hof hatte sich stellenweise Blitzeis gebildet.
    Vielleicht gibt es ja doch noch ein bisschen Schnee, dachte er und
war froh, nicht mit dem Auto unterwegs zu sein.
    Er ließ die Lamellen zurückschnappen und legte sich wieder hin. Er
hatte zwar nicht mehr daran geglaubt, noch einmal einschlafen zu können, aber
mit dem leisen Geräusch des Regens im Ohr dämmerte er schließlich weg.
    Als er wieder aufwachte, graute bereits die Dämmerung. Ein Blick auf
die Uhr sagte ihm, dass es schon kurz vor acht war. Er sah erneut durch die
Jalousie hinaus auf den Hof.
    Draußen tobte ein Schneesturm. Schwere Flocken schossen millionenfach
durch die Luft, so dicht, dass er kaum bis zur Scheune blicken konnte. Der
Garten und die dahinterliegenden Felder lagen bereits unter einer dünnen
Schneeschicht begraben, nur auf dem Hof hinderten große Pfützen den Schnee
daran, liegen zu bleiben.
    Hambrock traute seinen Augen nicht. Mit einem einzigen Ruck zog er
die Jalousie hoch. Das grelle Weiß blendete ihn. Dennoch betrachtete er
fasziniert das Schauspiel, das sich ihm bot. Dann wandte er sich ab, griff nach
dem Morgenmantel, den Ingeborg ihm herausgelegt hatte, und verließ das
Nähzimmer.
    Er fand sie in der Küche, wo sie das Frühstück zubereitete. Ein Duft
von frischem Kaffee und gebratenem Speck wehte ihm entgegen. Als er

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