Schnupperküsse: Roman (German Edition)
nicht nur an uns lag«, bemerke ich. »Den letzten Hamster hat die Katze des Nachbarn auf dem Gewissen.« In dem Moment, als die Worte über meine Lippen sind, versuche ich wieder zurückzurudern, doch es ist zu spät. Das Kind liegt schon im Brunnen, und ich schäme mich.
»Du hast uns angelogen, Mum. Fürchterlich angelogen, und deshalb wirst du nicht in den Himmel kommen, wenn du stirbst, und ich werde dich vermissen«, sagt Sophie mit Tränen in den Augen.
Ich strecke meine Hand nach ihr aus, aber sie weicht zurück.
»Ich habe nur versucht, dich zu schützen.«
»Hättest du das gewollt«, stimmt Georgia ein, »hättest du Dem Hamster besser einen neuen Käfig gekauft statt den alten mit Klebeband zu flicken. Ich habe dir doch gesagt, das wird nicht funktionieren. So hat die Katze ihn einfach holen können.«
Da Der Hamster nun Gegenstand unseres Gesprächs ist, erinnert sich Sophie wieder daran, dass wir ihn im Garten unseres Hauses zurückgelassen haben, was sie noch mehr aufwühlt.
»Außerdem wollten wir die Knochen seines Tskelets ausgraben und mitnehmen, aber das hast du vergessen, Mummy, und jetzt ist er ganz alleine.«
»Das hast du aber auch vergessen«, stellt Adam fest. »Du kannst nicht nur Mum dafür verantwortlich machen.« Doch genau das kann Sophie, und sie tut es auch, in unmissverständlichen Worten. Ich bin die schlechteste Mutter der Welt.
Ich schaue hinüber zu Guy, der mir einen amüsierten Blick zuwirft. Er ist gar kein so übler Mensch. Und von dem, was ich ursprünglich angenommen habe, weit entfernt. Guy ist weder ein Einfaltspinsel noch ein Bauerntölpel, wie ich gedacht hatte, sondern ein Mann mit einer vielschichtigen – und ich wage zu behaupten – faszinierenden Persönlichkeit.
»Ich denke, wir gehen besser«, sage ich entschuldigend. »Vielen Dank, dass Sie uns den Melkstand gezeigt haben, Guy.«
»War mir ein Vergnügen«, erwidert er. »Sie können jederzeit wiederkommen.«
»Wiedersehen«, sage ich und verlasse so schnell wie möglich den Hof. Georgia hat anscheinend beschlossen, sich alle Möglichkeiten hinsichtlich des Ponys offen zu lassen, und schneidet das Thema Hamster nicht wieder an, währenddessen Sophie sich weigert, mit mir zu sprechen, bis sie später an diesem Abend umständehalber dazu gezwungen wird.
»Mummy, Mummy!«, höre ich sie oben im Badezimmer schreien, und ich befürchte sofort das Schlimmste: Sie ist vom Thron gestürzt oder in die heiße Badewanne gefallen. Ich stürme nach oben und öffne die Badezimmertür.
»Was ist passiert?«, frage ich, noch völlig außer Atem.
Sophie schreit wieder, als sie mich sieht, stampft mit dem Fuß auf den Boden, das Handtuch um ihre schmalen Schultern gewickelt.
»Sophie, es ist gut. Beruhige dich!«
»Mummy!« Sie trippelt mit ihren Füßen auf der Stelle, während sie auf die Wanne zeigt. »Da ist eine Spinne.«
Eine Mischung aus Erleichterung und Angst überkommt mich, denn dass mir neben den vielen anderen Folgen einer Scheidung auch noch diese Rolle zufällt – Spinnen aus der Badewanne zu entfernen –, damit habe ich nicht gerechnet.
»Geh und warte draußen!«, sage ich mit schwitzigen Händen. »Ich kümmere mich darum.« Wenngleich ich mir nicht sicher bin, wie. Ich lehne mich über die Wanne, um einzuschätzen, mit was ich es zu tun habe, und unterdrücke selbst einen Schrei. Das ist keine Glücksspinne, sondern ein riesiges Ding mit schwarzen, haarigen Beinen. Und sie sitzt mitten auf dem rostigen Abfluss. Ich spiele mit dem Gedanken, den Verschluss zuzudrehen, finde das dann aber doch zu grausam. Ich frage mich, ob ich Sophie vorschlagen soll, das Bad zu verschieben.
»Mummy, ist sie schon weg?«, fragt sie mit zittriger Stimme hinter der geschlossenen Tür.
»Noch nicht, mein Schatz«. Meine Stimme ertönt wie ein hohes Quieken. Ist doch nur eine Spinne, versuche ich mich zu beruhigen. Was soll sie mir schon groß tun? Ich nehme all meinen Mut zusammen, greife nach einem Handtuch, lasse es mit dem unteren Ende in die Badewanne baumeln und hoffe, die Spinne wird die Chance einer Mitfahrgelegenheit wahrnehmen. Was sie natürlich nicht tut – sie bewegt sich keinen Zentimeter. Als ich mich wage, sie genauer unter die Lupe zu nehmen, bemerke ich, dass wenn ich mit dem Handtuch wedele, sie sich durch den Luftzug bewegt. Allmählich nimmt das Hämmern in meiner Brust ab, und ich kann wieder atmen. Sie ist tot, ich muss mich nicht vor ihr fürchten. Ich hebe den delikaten Leichnam hoch
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