Schnupperküsse: Roman (German Edition)
Potenzial.« Sie hält inne. »Sollte es Probleme geben, lassen Sie es mich sofort wissen.«
Ich sehe die Gesichter der Mädchen, ihr überglückliches Lächeln. Ihre Fröhlichkeit ist ansteckend, dennoch frage ich mich – als ich Delphi meine tausend Pfund in die Hand drücke –, ob ich mir ihre Zuneigung erkaufe, um somit wiedergutzumachen, dass ich sie von ihrem Vater weggerissen habe? Warum fühle ich mich immer so schuldig?
Georgia führt ihr Pony in den Hof, striegelt sie und gibt ihr eine Möhre. Dann geht sie mit ihr hinaus auf die Koppel und streift ihr den fluoreszierenden, rosa Halfter ab. Bracken scheint es eilig zu haben … Schnaubend und schnüffelnd trabt sie durch die Gegend. Ich habe keine große Ahnung von Ponys – nein, falsch, ich habe überhaupt keine Ahnung von Ponys –, aber sie scheint ein süßes kleines Ding zu sein. Georgia liebt sie schon jetzt.
»Sie hat einen erstaunlichen Schweif«, bemerke ich. »Er geht ihr bis hinunter zu den Knöcheln.«
»Mum, die nennt man Fesseln«, korrigiert mich Georgia.
»Muss der nicht geschnitten werden? Und was ist mit ihrer Mähne? Sie kann kaum durch sie hindurchschauen.«
»Das ist ihr Stirnhaar.«
»Woher weißt du das alles?«, frage ich sie beeindruckt.
»Aus den Büchern, die ich mir von der Bücherei geliehen habe, denn wenn man Tiere hat, Mum, muss man auch wissen, wie man richtig mit ihnen umgeht und sie pflegt.«
»Wäre schön, wenn du deinen Hausaufgaben genauso viel Aufmerksamkeit widmen würdest.«
»Das tue ich«, stellt sie kühl fest.
»Tut mir leid«, erwidere ich, lege den Arm um sie und drücke sie zur Entschuldigung. »Ich wollte dich nur aufziehen.«
Guy taucht mit den Kühen auf, nachdem er sie wie immer am Nachmittag gemolken hat. Er winkt, und ich laufe hinüber zu ihm ans Tor, das zur Auffahrt führt.
»Was hast du nun wieder angestellt?«, fragt er. »Ich habe den Transporter gesehen.«
»Dir entgeht aber auch nichts, oder?«, sage ich heiter. »Langsam frage ich mich, ob du mich stalkst.«
»Jennie, ich habe nur zufällig –«
»Schon gut«, unterbreche ich ihn. »War nur ein Witz.« Ich senke meine Stimme und fahre fort. »Um ehrlich zu sein, mir gefällt sogar die Idee, dass du nach mir Ausschau hältst …«
»Aha!«, sagt er und sieht verlegen aus, währenddessen sich meine Brust zusammenzieht, was auf ein Gefühl zurückzuführen ist, dass ich nur als Verlangen beschreiben kann. Die Sehnsucht, von ihm in die Arme genommen und gehalten zu werden …
Ich unterdrücke einen Seufzer des Bedauerns, denn selbst wenn er das Gleiche fühlen sollte wie ich, scheint er zu schüchtern zu sein, um je in dieser Hinsicht einen Vorstoß zu unternehmen. »Also, was hast du angestellt?«
»Ich habe ein Pony gekauft.« Ich lege meine Hand vor den Mund. »Ich kann es kaum glauben.«
»Okay, jetzt bin ich mir sicher. Du bist völlig verrückt, Jennie.« Guy lächelt, aber in seiner Stimme schwingt ein ernster Ton mit. »Ich hoffe, du weißt, was du tust. Ein Pony ist etwas anderes als ein Hund. Es ist eine Riesenverantwortung.« Er hält inne. »Ich muss los. Ich fahre heute Abend zu meiner Mutter – ich möchte nicht, dass sie schon im Bett liegt, wenn ich ankomme. Bis bald.«
»Schau doch morgen vorbei«, sage ich. »Ich möchte deine Meinung zu einem Kuchen hören.«
»Gerne. Aber ich werde erst nach fünf kommen können – morgen früh kommt der Tierarzt vorbei.«
»Ich hebe dir ein Stück auf.«
»Danke. Bis dann.«
Ich schaue ihm nach, wie er davongeht, bevor ich zu dem Pony zurückkehre. Als Bracken am Zaum auf und ab geht, wird mir klar, welche Verantwortung ich übernommen habe.
»Sie sieht aufgewühlt aus«, sage ich, als die Mädchen sie besorgt anschauen. »Aber denkt nur daran, wie ihr euch gefühlt habt, als ihr umgezogen seid.«
»Ich nehme an, sie vermisst ihre Freunde«, bemerkt Sophie. »Ich vermisse meine. Ich vermisse Heather … Amber …« Und sie spult eine Liste von ungefähr dreißig Namen ab, sämtliche Mädchen und Jungen, die mit ihr auf der alten Schule in eine Klasse gingen.
»Aber das hat sich doch gebessert, oder?«, frage ich.
»Ja«, erwidert sie nach einer Pause.
Innerhalb einer halben Stunde grast Bracken zufrieden vor sich hin, und alles auf der Welt ist gut …
… bis Georgia am nächsten Nachmittag hinausgeht, um Bracken zu holen und auf ihr zu reiten.
»Mum, Bracken lässt mich nicht an sich heran.« Georgias Lippe zittert vor Aufregung angesichts der
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