Schoener Schlaf
Ziel eingegeben â es handelte sich um die Adresse von Leon Fabry!
Kant wählte Fabrys Nummer, erreichte ihn aber erst am Nachmittag.
Fabry tat tief betroffen. Er bestätigte, dass Turner ihn an jenem Tag aufgesucht hatte â der Mann habe sich â genau wie der Kommissar â nach Maja Schneider erkundigt.
»Ich musste den jungen Mann genauso enttäuschen wie Sie, Herr Hauptkommissar«, erklärte Fabry. »Meine verstorbene Tante mag sie gekannt haben, ich aber nicht.«
Kant dachte noch eine Weile darüber nach, warum sich der Anwalt ausgerechnet an Fabry gewandt hatte. Hatte er doch mehr mitbekommen, als er zugegeben hatte?
Er erkundigte sich nach Turners Leiche. Sie lag noch in der Kühlung eines Bestattungsunternehmens, war aber bereits für die Beerdigung freigegeben. Kant informierte Oberstaatsanwalt Dr.  Kemper, der ordnete unverzüglich eine Obduktion an.
*
Restaurator Meyer zwei war so etwas wie eine unumstöÃliche Instanz. Zwar hatte er nicht den wissenschaftlichen Hintergrund der Kunsthistoriker, schwelgte nicht in Jahrhunderten und deren Interpretationen, entschlüsselte keine geheimen Zeichen oder verborgenen Hinweise und konnte die Abbildungen nicht in einen globalen Zusammenhang bringen â aber er hatte eine Nase für Unechtes und Gefälschtes, für billig gemischte Farben, Leinwände mit synthetischer Appretur und zu schnell erzieltes Craquelé.
Er war schon manchem Pfuscher auf die Spur gekommen und hatte einige Kunstwissenschaftler wesentlich älter aussehen lassen als die von ihnen vorgelegten Bilder.
Vor ihm hatte es einen anderen Meier gegeben, der inzwischen pensioniert worden war, und so hatte er sich den Namen Meyer zwei eingehandelt. Der Restaurator war hoch aufgeschossen und mager, trug sein ergrautes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und kleidete sich fast immer schwarz.
Leist, Salieri und Sucher hatten sich still an einen Tisch gesetzt und warteten auf Meyer zweis Urteil.
Dass der Typ immer so ein Affentheater machen muss, dachte Leist, bemühte sich jedoch, ihrem Gesicht einen neutralen Ausdruck zu geben.
Manfred Sucher schätzte den Restaurator als wichtigen Fachmann, auf den er nicht verzichten wollte.
Angelo Salieri achtete nicht auf Meyer zwei, sondern versuchte herauszubekommen, was Leist dachte. Falls Meyer zwei ein negatives Urteil zur Echtheit der Bilder abgeben würde, wäre Rebecca am Boden zerstört, denn sie erhoffte sich vom Auftauchen der Gemälde einen Karriereschub.
Er kannte diese Körperhaltung bei ihr, sie sollte Entspannung vorgaukeln: zurückgelehnt, die langen, schlanken Beine mit den schimmernden Seidenstrümpfen leger übereinandergeschlagen, konnte sie doch ein ständiges Wippen mit der Spitze ihrer roten Pumps nicht unterdrücken. Sie ist mal wieder total overdressed, dachte Angelo, sie sähe in einem schlichten Sommerkleidchen und Sandalen jünger aus. Und das ist ihr doch wichtig â jünger zu wirken.
»Eine interessante Sammlung«, sagte Meyer zwei endlich. »Woher stammen die Bilder? Es ist ungewöhnlich, dass zwanzig unbekannte Werke aus dem 17.  Jahrhundert einfach so auftauchen.«
»Die Sammlung war zwanzig Jahre lang versteckt«, erklärte Leist. »Der Besitzer lebte im Ausland und hatte die Bilder nicht mitnehmen können.«
»Hehlerware?« Meyer zwei sah Leist scharf an. Er traute Frau Dr.  Schlau â wie er sie nannte â nicht über den Weg.
»Aber nein!«, empörte sie sich. »Die Provenienz kann nachgewiesen werden. In allen Fällen. Glauben Sie wirklich, ich würde eine Ausstellung mit gestohlenen Bildern planen?«
»Ich habe alle bekannten Diebstahlsanzeigen von Museen und Privatsammlern bereits überprüft«, mischte sich Manfred Sucher ein. »Keines der Bilder ist als gestohlen gemeldet.«
»Gut. Dann sehen wir uns die Sachen mal weiter an.«
In den folgenden zwei Stunden überprüfte Meyer zwei die Bilderrahmen, die aufgezogenen Leinwände, kratzte an unwichtigen Stellen ein wenig Farbe ab und stellte sie in einem Glasröhrchen sicher, ging mit der Lupe dicht an die Oberflächen und leuchtete mit einer kleinen Lampe in Rillen und Ritzen.
Leist lieà ihn nicht aus den Augen, hatte das Gefühl, dass er mit Hingabe nach Negativem suchte, nur um ihr eins auszuwischen.
Salieri dagegen bewunderte Meyers gekonnte und präzise Handgriffe und die
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