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Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Titel: Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoît B. Mandelbrot
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dann im oberen Management. Anschließend gelang ihm eine dritte Karriere als Professor der Computerwissenschaft. Und nach seiner Pensionierung gründete er ein erfinderisches und erfolgreiches Software-Unternehmen. Er machte mir Freude – ein interessanter Mann und guter Freund.

© Mit freundlicher Genehmigung von Bernard Sapoval

    Der andere Klassenkamerad war Valéry Giscard d’Estaing. In der Schule fiel er auf, weil er eine blaue Uniform trug – statt unserer khakifarbenen. Später ragte er heraus, weil er zum Präsidenten Frankreichs gewählt wurde. Das erste Mal traf ich ihn, als er die für zwölf Mann ausgelegte Stube betrat, der man mich 1945/46 zugeteilt hatte. »Ich suche Simon. Weißt du, wo er ist?« – »Nicht die leiseste Ahnung.« – »Sag ihm, dass ich da war.« Als Simon zurückkam, erzählte ich es ihm und fragte, wer dieser auffallend selbstsichere Mensch mit seiner abweichenden Uniform sei. »Was, du kennst deinen Klassenkameraden Valéry Giscard d’Estaing nicht?« Er erklärte, was es mit der Uniform auf sich hatte, und fuhr fort: »Ich kenne ihn schon vom Gymnasium. Ständig hat er allen erzählt, dass er mit dreißig Abgeordneter, mit vierzig Finanzminister, mit fünfzig Präsident der Republik und mit sechzig Präsident Europas sein werde. Wie bescheuert kann denn einer noch sein?« Am Ende der Geschichte lachten alle Anwesenden. Natürlich waren meine Ambitionen möglicherweise noch viel ausgefallener, aber sie schlossen keinen Zeitplan ein – und wurden nicht öffentlich gemacht.
    Als Giscard Präsident Frankreichs war, musste Jean-Claude Simon ihm einen selbst verfassten Bericht vorlegen. Simon hatte vor, die vertrauliche Form der Anrede zu wählen und den Präsidenten zu duzen. Zwischen Klassenkameraden der Carva und auch unter Ehemaligen, die weniger als sieben Jahre auseinanderliegen, ist das eine selbstverständliche Regel, und er kannte Giscard seit Jahren. Als dann aber der schicksalhafte Augenblick kam, verweigerten Simons Lippen dem Gehirn den Gehorsam – er stotterte »Monsieur le Président, vous …«. Danach war er sehr niedergeschlagen, und das wiederholte sich jedes Mal, wenn er die Geschichte erzählte. Giscard habe ich erst wieder aus der Nähe gesehen, als wir 1994 an einer Feier zum 200. Jahrestag unserer Hochschule in New York teilnahmen. Nachdem er eine glänzende Rede gehalten hatte, plauderten wir miteinander, doch ich dachte an Simons Erlebnis und hielt mich von allen Minenfeldern fern.

Die Professoren Leprince-Ringuet und Platrier
    Die meisten Studenten besuchten die Carva nicht wegen der Qualität des Unterrichts, sondern wegen der möglicherweise nützlichen Kommilitonen und der guten Jobs. Weil ich aus dem Ausland kam, war ich von dem Zwang zum Pauken nicht betroffen, was mir sehr gelegen kam und – allenfalls – meinen Wunsch bestärkte, mich auszuzeichnen. So erhielt ich eine sehr gute Ausbildung in einem breit angelegten Programm der mathematischen Wissenschaften.
    Mein Professor für Physik, Louis Leprince-Ringuet (1901–2000), war ein sehr charmanter, faszinierender Mensch voller Energie. Er setzte sich mit allen Kräften dafür ein, die Experimentalphysik in Frankreich nach vielen Jahren der Flaute oder des Stillstands wiederzubeleben, und so forschte er auf dem Gebiet der Hochenergiephysik – mithilfe des damals besten Werkzeugs, der kosmischen Strahlung. Die Beobachtungen erfolgten am Observatorium Pic du Midi, das nahe der spanischen Grenze in den Pyrenäen liegt, und wurden in Paris analysiert. Der sehr beliebte Wissenschaftler – sein aus Antoine de Saint-Exupérys (1900–1944) Bestseller entlehnter Spitzname war »Der kleine Prinz« – suchte gezielt nach Leuten für sein Labor. Ich beeilte mich, zur Ausbildung für einige Zeit in sein Team zu kommen.
    Aufgrund meiner ererbten Begeisterung für technisches Spielzeug und meiner Lehrzeit als Werkzeugmacher während des Kriegs in Périgueux konnte ich mir die komplizierten Instrumente, die das Team konstruierte, sofort in drei Dimensionen plus der Zeit bildlich vorstellen. Aber der Rhythmus der Experimente war mir zu langsam, und so wurde ich – während meine an Kepler orientierten Pläne allmählich aufeinander zuliefen – zwangsläufig zu einer Art Theoretiker.
    Den Lehrstuhl für Mechanik hatte einst Paul Painlevé (1863–1933), ein Studienkamerad Jacques Hadamards, innegehabt. Nachdem Painlevé seine Kreativität eingebüßt hatte, verlegte er sich zunehmend auf die nationale

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