Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Titel: Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoît B. Mandelbrot
Vom Netzwerk:
ONERA (der französischen Entsprechung der NASA) und war enttäuscht, als ein potenzieller Doktorvater bekannte, er habe nicht einmal genügend Ideen für sich selbst und könne mich nicht betreuen. Dessen ungeachtet hatte ich Kontakt mit den richtigen Behörden, Gesprächspartner äußerten große Begeisterung über meine Qualifikationen, und ich wurde dem großen Boss vorgestellt. Dieser versicherte mir, seine offizielle Genehmigung werde in wenigen Tagen bei mir eintrudeln, aber er verwalte auch andere Jobs, übernehme das Management für alles und natürlich verzettele er sich dabei. Tage und Wochen vergingen ohne einen Brief – nichts als telefonische Versicherungen, der Papierkram liege auf dem Schreibtisch des Bosses zur Unterschrift bereit. Vaters chronische Sorgen erwiesen sich als berechtigt, und er sah weitere Belege dafür, wie schrecklich es sei, bei einer staatlichen Behörde angestellt zu sein. Die Luftfahrttechnik erschien ihm immer weniger attraktiv. In aller Stille begann er, die Zeitungen nach offenen Stellen für technische Berufe zu durchforschen.
    Ein Stellenangebot, das er höchst interessant fand, gab nur eine Adresse ohne Namen an. Er bekam heraus, dass es von Philips S. A. kam, der eng an der Kandare der Zentrale geführten französischen Zweigstelle des in Holland angesiedelten Elektronikmultis. Genauer gesagt stammte die Anzeige von einer neuen Forschungsabteilung L.E.P. Womit nicht das sich anbietende Laboratoire d’Electronique Philips gemeint war, sondern das Laboratoire d’Electronique et de Physique appliquées . Vater sah darin einen nahtlosen Übergang innerhalb eines großen internationalen Unternehmens von der Luftfahrttechnik zur Elektronik. Selbst wenn in einem Land eine Revolution ausbräche, könnten sie einen einfach zu einer anderen Zweigstelle versetzen.
    Philips suchte einen Absolventen von einer der Grandes Ecoles , der fließend Englisch sprach und gute Kenntnisse in einer Technik hatte, die Spektralanalyse genannt wurde. Ich kam mit einer sehr guten Rangstelle von der Polytechnique und hatte am illustren Caltech zwei Jahre mit hochrangigen Forschern verbracht; außerdem kannte ich mich bei den Spektren in zwei unterschiedlichen Ansätzen aus, was (vermutlich) kein anderer aufzuweisen hatte. Freunde vom Caltech wandten sie in der Turbulenzforschung praktisch an, und ich hatte Elemente der Theorie von Szolem »geerbt«.
    Der Job passte für beide Seiten perfekt. Innerhalb weniger Tage rief mich der holländische Chef von Philips France an, deren Zentrale an der eleganten Avenue Montaigne gleich bei den Champs-Élysées lag. Bald kam ein unterzeichnetes und abgestempeltes Stellenangebot mit einem Gehalt, das die Versprechungen der ONERA übertraf.
    Anders als Vater bevorzugte ich Philips vor allem, weil deren Job so aussah, als ließe er sich mit dem Verfassen einer Doktorarbeit vereinbaren oder gar eine Inspiration dafür liefern. Aber weshalb war Philips so sehr an Spektren interessiert? Sie hatten mich in der Hoffnung angeheuert, ich könne ihnen bei einem ernstlichen Problem Hilfestellung leisten. Die Fernsehbranche bereitete sich damals widerstrebend, aber fieberhaft auf das Farbfernsehen vor, und dazu gehörte ein kaum bekannter technischer Trick, der leicht zu erklären ist. Newton hatte weißes Licht durch ein Prisma fallen lassen und es in ein »spektrales«, aus farbigen Lichtanteilen von Rot bis Violett zusammengesetztes Bild zerlegt. Auf ähnliche Weise lässt sich ein Klang in reine Töne aller Frequenzen zerlegen – im einfachsten Beispiel in einen Grundton und seine Harmonien. Daher stammen die alternativen Ausdrücke »spektrale« und »harmonische« Analyse.
    Diese Analyse inspirierte ein Farbfernsehsystem, das Ingenieure von RCA und General Electric perfektionierten. Man nannte es NTSC nach dem National Television Standards Committee. Heute ist es veraltet und überholt, aber weiterhin in Gebrauch. Als die Ingenieure in der französischen Filiale von Philips sich in die Materie einarbeiteten, brauchten sie einen Theoretiker, der sie an die Hand nahm.
    Mehrere europäische Länder entwickelten bessere Systeme. Das arme alte NTSC wurde von Witzbolden zu »Never the same color« umgedeutet. Um die Kompatibilität mit den vorhandenen Schwarzweiß-Empfängern zu gewährleisten, enthielt das Signal ein detailliertes Bild, das ein herkömmlicher Empfänger als schwarz, ein neuer Farbempfänger dagegen als Grün interpretiert. Das vollständige Farbbild

Weitere Kostenlose Bücher