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Schubumkehr

Schubumkehr

Titel: Schubumkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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Glasfabrik retten wollen, seinen Posten natürlich auch, aber vor allem die Glasfabrik. Das war nur möglich mit der Zustimmung von Macho, also durch politische Geschenke. Aber was sollte er mit all den Arbeitslosen machen, die keine Anstellung mehr finden würden in der Fabrik und im Steinbruch? Sollen sie auch Fremdenzimmer bauen. So gab eins das andere. Die Bauernhofurlauber wären, wenn man sich das schon anfängt, ohnehin zu wenige, um ins Gewicht zu fallen. Kapital in Arbeitnehmerhand, das wurde das Argument, nicht nur die Bauern, auch die Arbeiter sollen Investitionsförderung aus dem Budget bekommen, das Budget wird verteilt, dazu noch die zinsenlosen Kredite des Landes für Althaussanierung, die könnte man dazuvermitteln, und jeder hätte Geld und Arbeit, beim Hausumbau, und eine Perspektive, als künftiger Selbständiger, ein Volk der Wirte und Zimmervermieter, war es das, was er wirklich gewollt hatte?
    Ich habe eine Vision.
    Du solltest zum Arzt gehen.
    Mach keine Witze.
    Beim Begriff Sanfter Tourismus ist Trisko sofort Feuer und Flamme gewesen. Wir haben wirklich was anzubieten, sagte er, nicht nur Führungen durch die Glasfabrik, wir haben den See, wir haben den Wald
    Genau. Wenn wir voll drauf setzen, könnte das ein Geschäft werden, die Gemeinde könnte überleben und
    Ja, aber alternativ, wirklich sanft, Wanderwege
    Im Winter machen wir Loipen, und dann haben wir noch den Steinbruch, du hast doch die Idee gehabt mit einem Steinbruchmuseum.
    Wärst du dafür? Ja? Es wäre das erste in Österreich. Man müßte das natürlich schön aufbereiten, das ganze Werkzeug und die einzelnen Arbeitsschritte und die ganze Geschichte – Die Wiener Stadtbahnbauten sind aus Komprechtser Granit gemacht worden, das Reservoir der Wiener Wasserleitung, die Moldauregulierung von Prag bis Malnik, hast du gewußt, daß die Margarethenbrücke in Budapest und sogar in Rumänien die Brücke von Cernovada aus unserem Stein
    Und die Mehrzweckhalle. Die Fremden wollen doch ein Unterhaltungsprogramm.
    Na ja.
    Dort könnten wir Abende machen mit unserer Blaskapelle und
    Wir könnten auch mein Stück wieder spielen.
    Ja, genau.
    Und du sagst, keine Hotelneubauten, nur Privatzimmer, sanfter Tourismus, Wanderwege,
    Erlebniswanderwege, meinetwegen Kräuterwanderwege
    Lehrwanderwege, Radwanderwege
    Ja, sanft, aber lukrativ. Die Schmalspurbahn können wir auch wieder in Betrieb nehmen, unseren Bahnhof –
    So ist alles gekommen. Tatsächlich: Kein Stein sollte auf dem anderen bleiben, nun aber nicht mehr deshalb, weil alles zusammenkrachte, sondern weil umgebaut wurde, ein ganz neues Komprechts sollte entstehen, in einem Moment, in dem es zu einem Geisterdorf zu werden drohte. Ein neues Komprechts – König, der sich die längste Zeit insgeheim nicht sicher war, ob er dieses neue Komprechts wirklich wollte, wurde beim Hochzeitsfest von Verena und Karl zum ersten Mal euphorisch. Er fühlte sich gleichsam als Barbara Witty des zwanzigsten Jahrhunderts, als rettender Engel dieses Gemeinwesens, dem all die jetzige Zukunftsfreude und Unbeschwertheit der Menschen hier letztlich zu verdanken waren. Plötzlich ließ sich Verena, nach einem ausgelassenen Tanz, auf den Stuhl neben ihm fallen. Er sah sie an, mit einem glänzenden, vom Alkohol geröteten Gesicht.
    Du
    Ja?
    Beinahe hätte der »Hirsch« zugesperrt. Dann wäre sie eine arbeitslose Kellnerin gewesen. Und der Karli war ein arbeitsloser Glasarbeiter – hätten die beiden dann auch geheiratet?
    Sag, plant ihr nur Kinderzimmer, oder werdet ihr auch Fremdenzimmer bauen?
    Na sicher, auch Fremdenzimmer.
    Einen Fremden habt ihr schon. Wenn ich einmal urlaubsreif bin, miete ich mich bei euch ein.
    Dolfi, du spinnst.
    Er blieb bis halb drei Uhr nachts. Als er nach Hause kam, sah er, daß seine Frau das Sofa im Wohnzimmer aufgeklappt und ihm dort das Bett gemacht hatte. Darauf lag sein dunkelblauer Pyjama aufgebreitet, wie ein körperloser Gast.
12.
    Geduscht, rasiert, mit frischem Hemd und noch feuchten Haaren saß Roman im Auto – Richard hatte sich bereit erklärt, ihn nach Peugen zum Bahnhof zu bringen –, und es gelang ihm nicht, das Belüftungsgebläse des Autos abzustellen. Er war nervös. Feuchte Haare und dieser stetige Luftzug. Er wird zweifellos eine Stirnhöhlenentzündung bekommen. Wie konnte man mit dem Anspruch, ein gesundes Leben zu führen, ein solches Auto fahren? Mit Körnern und Flocken alleine war es doch nicht getan. Das war mörderisch, das war der Tod. Er hantierte

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