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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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legte es ab. Nichts, was seine Aufmerksamkeit erregte. Unter dem Schreibtisch stand ein Papierkorb. Er leerte den Inhalt auf den Teppichboden. Bunte Schnipsel fielen ihm auf. Auf der Rückseite Wortfragmente und Teile einer Briefmarke.
    Eine Postkarte.
    Er schob die Teile zusammen. Auf der Vorderseite die Fotografie eines Seeufers. In der Wasseroberfläche spiegelte sich der grau bezogene Himmel. Buntes Herbstlaub trieb an der Oberfläche. Moos haftete an der Rinde eines umgestürzten Baums am Ufer.
    Dühnfort drehte die Teile um. Die Marke trug einen Münchner Poststempel. Anschrift und Text waren mit einem Tintenstrahldrucker aufgedruckt worden.
    Das Leben ist der Güter höchstes nicht,
    der Übel größtes aber ist die Schuld.

30
    Der Wagen holperte über die schmale Straße. Linker Hand lag der See. Die Wasseroberfläche vom Wind gekräuselt und von Regentropfen aufgewühlt. Dühnfort hielt in der Nähe der Kieszunge, die zum Wasser abfiel, und stieg aus. Feuchte Kälte umfing ihn. Kahle Bäume und Büsche. Schneegeruch in der Luft. Trostlosigkeit. Lange würde der Winter nicht mehr auf sich warten lassen. Dühnfort schlug den Mantelkragen hoch und ging zum Ufer.
    Welkes Laub bedeckte längst nicht mehr in prächtigen Herbstfarben Wiese, Weg und Ufer. Es hatte das nächste Stadium seiner Vergänglichkeit erreicht. In modrigem Braun klumpte es unter kahlen Büschen, hatte sich in Gräsern und Gestrüpp verfangen und war im Uferbereich auf Grund gesunken.
    Dühnfort ließ den Blick über das Wasser schweifen. Am östlichen Ufer entdeckte er, was er suchte. Jedenfalls hoffte er das. Er ging den Weg entlang, dann durch die Wiese. Die Säume der Chino fühlten sich nach wenigen Metern klamm an. Als er das Waldstück erreichte, das sich wie ein Keil zwischen See und Isarkanal schob, waren sie nass. Wasser tropfte aus den Bäumen. Ein Geruch nach Moos, Harz und Rinde. Dämmerlicht. Ein Trampelpfad zog sich am Ufer entlang. Dühnfort folgte ihm, bis er die Stelle erreichte, die er gesucht hatte. Eine entwurzelte Fichte lag am Ufer. Ein Moospolster haftete regensatt an der Rinde. Keine Frage, das war der Baum, das war die Stelle, an der das Foto entstanden war. Nicht vor wenigen Tagen, sondern vor einigen Wochen, als die ersten bunten Blätter von den Bäumen gefallen waren. Und das irritierte ihn. Wenn der Mord an Flade mehr oder weniger spontan, jedenfalls ohne große Planung erfolgt war, dann passte die Postkarte nicht ins Bild.
    Dühnfort kehrte zu seinem Wagen zurück. Haare und Mantel waren feucht geworden, seine Finger und Ohren kalt. Er rieb sich die Hände. Vom Auto aus rief er Alois an, beschrieb ihm die Postkarte und fragte, ob in Flades Unterlagen eine Karte mit demselben oder einem ähnlichen Text aufgetaucht war. Alois verneinte.
    »Das klingt nach einem Zitat. Kannst du es mal googeln?«, fragte Dühnfort.
    »Jetzt gleich?«
    »Wenn du gerade am PC sitzt.«
    Er wartete und lauschte dem entfernten Klappern der Tastatur.
    »Schiller. Friedrich Schiller. Die Braut von Messina. «
    »Worum geht es darin?«
    »Gib mir zwei Minuten. Ich frage Wikipedia.«
    Dühnfort lehnte sich zurück und sah aus dem Fenster. Eine Frau, die einen Schäferhund an der Leine führte, erschien in seinem Blickfeld. Gummistiefel. Barbour-Wachsjacke. Kopftuch wie die Queen, wenn sie auf dem Land weilte. Missbilligend schüttelte sie den Kopf. Als sie den Wagen erreichte, klopfte sie an die Scheibe. Dühnfort ließ sie herunter. »Hier können Sie nicht parken. Haben Sie das Schild denn nicht gesehen?« Mit einer Hand wies sie hinter sich.
    Er zog seinen Dienstausweis hervor. »Keine Sorge. Ich darf.«
    Die Frau musterte ihn. »Ach so. Na dann.«
    Er sah ihr noch einen Moment nach. Alois meldete sich. »Ein Drama im Stil einer griechischen Tragödie. Kurz gesagt geht es darum, dass ein ganzes Geschlecht ausgerottet wird, weil zwei Brüder sich in dieselbe Frau verlieben. Einer erwischt sie in den Armen des anderen und ersticht den Bruder aus Eifersucht. Hinterher erfährt er, dass die Angebetete die eigene Schwester ist, und begeht Selbstmord. Großes Drama. Bringt uns das in dem Fall weiter?«
    Wenn Rachsucht und das Streben nach Gerechtigkeit die Triebfedern des Täters waren, dann vermutlich nicht. »Im Augenblick kann ich keinen Zusammenhang sehen. Fragst du mal bei Frau Flade nach und auch bei den Kollegen, ob Flade eine ähnliche Postkarte erhalten hat?«
    »Ich sagte doch, da war nichts dergleichen.«
    »Martinas Karte habe ich

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