Schwanengesang (German Edition)
worden.«
»Aber das Geld können Sie gut gebrauchen.«
» Jeder könnte fünfhunderttausend Euro gut gebrauchen.«
»Aber nicht jeder ist wie Sie wegen Betruges vorbestraft. Und nicht jeder kannte Frau Reichert. Und vor allem hat nicht jeder Frau Reichert einen Giftbecher gegeben, der sie getötet hat.«
»Ich habe Frau Reichert nicht getötet, ich habe Beihilfe zu einem Suizid geleistet.« Er stutzte, weil er selbst merkte, wie schal sich seine Rechtfertigung anhörte. »Zumindest bin ich davon ausgegangen. Und genau das wird Herr Dr. Heinen Ihnen bestätigen, wenn er wieder auftaucht.«
» Falls er wieder auftaucht«, korrigierte Templin. »Und dafür sollten Sie beten. Denn bis dahin sind Sie unser einziger Verdächtiger.«
»Bin ich …« Marc schluckte schwer. »Haben Sie einen Haftbefehl?«
»Nein«, erwiderte Templin. »Noch nicht, um genau zu sein. Aber wenn Heinen nicht bald wieder auf der Bildfläche erscheint …« Sein Blick führte den Gedanken zu Ende. Dann nickte er Weskamp auffordernd zu und die Kommissare standen auf.
»Wir finden allein raus«, sagte Templin und wandte sich zur Tür.
»Eine Frage noch«, rief Marc ihm hinterher.
Templin hielt inne und drehte sich um.
»Woher haben Sie die DVD?«
»Die wurde uns zugeschickt. Anonym. Irgendjemand da draußen scheint Sie nicht zu mögen. Was mich – ehrlich gesagt – nicht besonders wundert.« Templin grinste ein letztes Mal. Dann verließen er und sein Kollege Marcs Büro.
13
Die Polizisten hatten die Kanzlei noch nicht ganz verlassen, da hatte Marc schon den Telefonhörer in der Hand und wählte Gabriels Nummer. Er erfuhr von Gabriels Sekretärin, dass sein Freund gerade ein Mandantengespräch hatte, er aber dennoch vorbeikommen könne.
Marc wies seine eigene Sekretärin an, sämtliche Termine für den Tag abzusagen. Dann verließ er im Laufschritt sein Büro, sprang in seinen Golf und brauste in den Bielefelder Stadtteil Schildesche, in dem Gabriels Kanzlei lag. Sein Freund hatte sich entgegen Marcs Rat bewusst aus dem Bielefelder Zentrum herausgehalten, da er meinte, die Innenstadt sei von Anwälten bereits vollkommen überlaufen. Damit hatte er zwar einerseits nicht ganz unrecht, andererseits handelte es sich bei Schildesche um einen sehr ruhigen und gutbürgerlichen Stadtteil, in dem so gut wie nichts passierte. Und in dem die Bewohner offenbar auch Anwaltsbesuche scheuten.
Marc hatte etwas Mühe, die Kanzlei zu finden, da er erst einmal zur Eröffnung vor einem knappen Jahr hier gewesen war. Schließlich entdeckte er einen Parkplatz genau vor dem vierstöckigen Bürogebäude, dessen dritte Etage unter anderem Gabriels Kanzlei beherbergte.
Als Marc das Vorzimmer betrat, fand er dort Gabriels Sekretärin vor, die stundenweise beschäftigt war. Marc versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern, es gelang ihm nicht.
»Hagen«, stellte er sich vor. »Ich …«
»Sie sind der beste Freund von Herrn Wagner«, unterbrach ihn die Sekretärin. »Wir haben uns doch bei der Eröffnungsfeier gesehen.«
»Natürlich.« Marc schnipste mit den Fingern. Dann warf er einen ungeduldigen Blick auf die Tür zu Gabriels Büro. »Ist Herr Wagner jetzt frei?«
Die Sekretärin schüttelte den Kopf. »Nein, die Mandanten sind noch drin. Aber ich kann Sie ja schon mal anmelden.«
Sie aktivierte einen Knopf auf ihrer Gegensprechanlage. »Herr Hagen wäre jetzt da«, sagte sie.
»Danke, Sly«, hörte Marc Gabriels Stimme. »Wir sind hier praktisch fertig.«
Die Sekretärin wandte sich Marc zu und lächelte. »Sie haben es gehört.«
Marc nickte. »Und, gefällt es Ihnen hier?«, fragte er, um ein wenig Konversation zu betreiben.
»Klar!« Sie strahlte über das ganze Gesicht. »Herr Wagner ist supernett, da habe ich schon ganz andere Anwälte erlebt. Und fachlich hat er auch echt was auf dem Kasten. Die Mandanten sind sehr zufrieden. Wenn es …« Sie verstummte.
»Wenn was?«, versuchte Marc ihr auf die Sprünge zu helfen.
Sie zögerte. »Na ja, Ihnen kann ich es wohl sagen«, meinte sie dann. »Es könnten mehr Mandanten sein. Langsam mache ich mir Sorgen um meinen Arbeitsplatz. Es gibt nicht viel zu tun und dabei bin ich ohnehin nur ein paar Stunden hier.«
»So schlimm?«, hakte Marc nach.
»Ich sag mal so: Er hat mich schon öfter gebeten, die Volvic -Flaschen für die Mandanten mit Leitungswasser aufzufüllen, wenn nicht genug Geld in der Kasse war. Ich glaube, Herr Wagner macht sich inzwischen auch Gedanken, wie es weitergehen soll.
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