Schwarz auf Rot
den Durchbruch, Genosse Hauptwach t meister Yu!«
»Wie bitte?«
»Erinnern Sie sich an Cai den Grillenkämpfer, über den wir gestern sprachen?«
»Natürlich. Gibt es etwas Neues über ihn?«
»Wie schon gesagt, ich habe mich intensiv um Hinte r grundinformationen bemüht.« Alter Liang goß erst Yu, dann sich selbst Drachenbrunnentee in kleine weiße Po r zellanschälchen. »Das ist hervorragender Tee; die Blätter wurden alle vor dem Yuqian-Fest gepflückt und verarbe i tet. Ich hebe ihn für Anlässe wie diesen auf. Wirklich etwas ganz Besonderes.«
»Ah, verstehe. Aber bitte erzählen Sie, was Sie h e rausgefunden haben«, erwiderte Yu. »Sie haben zweife l los Großartiges g eleistet. Nicht umsonst sagt das Spric h wort: Je älter der Ingwer, desto schärfer ist er.«
Gleich am ersten Tag der Vernehmungen, noch bevor Yu eintraf, hatte Cai dem Alten Liang erzählt, daß er sich zum fraglichen Zeitpunkt nicht in der Schatzgartengasse aufgehalten hatte, sondern in der Nagel-Siedlung in Y angpu gewesen sei und daß seine Mutter dies bestätigen könne. Alter Liang hatte die Mutter telefonisch zu erre i chen versucht, aber erfahren, daß der Telefonservice dort schon vor Monaten eingestellt worden war. Das war Teil der staatlichen Maßnahmen, um die »Nägel« aus ihren Hütten zu vertreiben. Doch Alter Liang hatte nicht lo c kergelassen und sich persönlich auf den Weg gemacht. Er hatte Cais Mutter nicht angetroffen und von einer Nachbarin erfahren, daß die Lebensbedingungen in der Siedlung mittlerweile so hart seien, daß diese schon vor Monaten zu ihrer Tochter gezogen sei. In der Nacht vom 6. Februar und am folgenden Morgen hatte niemand Cai dort gesehen. Da es nur noch einen funktionierenden Wasserhahn in der Siedlung gab, begegneten sich die Bewohner zwangsläufig mehrmals am Tag. Cai war schon seit mindestens einer Woche nicht mehr aufg e taucht.
Alter Liang hatte daraufhin Cai noch einmal verno m men, der hielt jedoch an seiner ersten Aussage fest. A n statt ihm zu widersprechen, war Alter Liang daraufhin mit ihm in die Nagel-Siedlung gegangen und hatte ihn die Tür zu seiner Behausung aufschließen lassen. Dort lag die ungeöffnete Post von über einer Woche; ein Brief trug den Poststempel des 25. Januar. Cai hatte dafür ke i ne Erklärung. Alter Liang nahm ihn sofort in polizeil i chen Gewahrsam und verhörte erneut dessen Frau und Schwiegermutter. Beide schworen, daß Cai am Morgen des 7. Februar nicht im shikumen gewesen sei, konnten aber nicht sagen, wo er sich aufgehalten hatte. Sie hatten natürlich seine Unschuld beteuert, was für die Ermittlu n gen belanglos war. Verdächtige behaupteten immer, u n schuldig zu sein.
»Mit ihm in die Nagel-Siedlung zu gehen war wirklich ein genialer Einfall«, lobte Yu.
»Cai hat auch ein Motiv«, fuhr Alter Liang fort. »Als notorischer Spieler ist er zweifellos in Geldnöten. Das ist ihm schon öfter passiert. Und was noch entscheidender ist: Er hat einen Schlüssel zum Haus. Er konnte sich also in Yins Zimmer schleichen, nicht ahnend, daß sie an di e sem Morgen früher zurückkehren würde. Dann hat er sie ermordet und ist die Treppe hinaufgerannt. Meiner Me i nung nach können wir nicht ausschließen, daß seine Frau und seine Schwiegermutter ihn zu decken versuchen.«
»Was hat er denn gesagt, als Sie sein Alibi vernichtet haben?«
»Er hat bestritten, etwas mit dem Mord zu tun zu h a ben«, antwortete Alter Liang. »Aber keine Angst. Ich habe Mittel und Wege, um solche Nüsse zu knacken.«
»Cai ist sicherlich ein Tatverdächtiger, soweit stimme ich zu«, sagte Yu. »Aber ich habe da noch ein paar Fr a gen. Jemand wie Cai wettet im großen Stil. Er setzt viele tausend Yuan auf eine winzige Grille. Deshalb erscheint mir Yin ein zu kleiner Fisch für seinen unersättlichen Appetit zu sein.«
»Das sehe ich anders. Wem das Wasser bis zum Hals steht, der greift nach jedem Strohhalm. Als unverbesse r licher Spieler würde er nach einer Pechsträhne alles tun, um an ein paar Hundert Yuan zu kommen.«
»Möglich ist es, aber warum sollte er ein falsches Al i bi angeben? Es hat ihm doch überhaupt nichts genützt.«
»Nun ja, Sie kennen doch den Spruch: Wer nicht g e stohlen hat, braucht auch nicht nervös zu sein. «
»Ja, da haben Sie recht«, sagte Yu. »Wir werden ihn uns vorknöpfen.«
Yu erzählte dem Alten Liang von seiner Entdeckung, daß jemand durch die Hintertür entkommen sein konnte, ohne von der Krabbenfrau gesehen zu werden.
Doch
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