Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
Mann versucht nicht einmal, den Eindruck zu erwecken. Was bezweckt er also? Er will Sullivan nicht genug Zeit lassen, um … was zu tun?
Was übersieht er gerade?
»In Ordnung«, sagt Sullivan. In der Tür runzelt Gray die Stirn. Da er nur die eine Seite des Gesprächs mitbekommt, ist er offensichtlich besorgt. Und mit Recht, doch Sullivan sagt: »Dann also um vierzehn Uhr.«
Außer dem Wind und dem Tosen des Meers herrscht Stille.
Dann sagt der Mann: »In Ordnung.«
Und er hängt auf.
»Der kommt nicht«, sagt Pearson.
Es ist fünf nach zwei, und sie stehen an derselben Stelle, an der Sullivan vor dem kleinen Mädchen gekniet hat. Unter der beißend kalten Meeresbrise zieht er sich den Schal fester um den Hals.
Trotz des schlechten Wetters – kalter, peitschender Regen, tosende, schäumende Brandung hinter der Mauer – ist die Promenade gut besucht. Es ist ein unwirtlicher Tag, doch die Sonne bricht immer wieder durch, und die Menschen trotzen den Elementen und versuchen, ihren Spaß zu haben. Manche essen sogar ein Eis, das sie sich an dem Wagen weiter hinten auf der Promenade geholt haben, obwohl der Wind selbst den Eiswagen durchschüttelt. Es ist nicht einfach, einen einzelnen Mann unter ihnen auszumachen. Das Café auf der anderen Straßenseite ist nicht schlecht besucht, doch soweit festzustellen, scheint niemand zu warten. Niemand beobachtet sie. Schon gar nicht irgendein Mann, der alleine dort sitzt.
Aber woher weiß er, dass der Mann alleine kommt? Vielleicht bringt er seine Frau mit oder seinen kleinen Jungen – oder auch beide. Sie haben keine Personenbeschreibung von der Familie, die ihnen weiterhelfen könnte.
Sullivan sieht noch einmal auf seine Armbanduhr.
Sieben nach zwei.
Mit Grays widerstrebender Zustimmung hat er hier an beiden Zugängen Beamte abgestellt, die nach einem einzelnen Mann, einem verdächtig wirkenden Mann, eben einem Mann Ausschau halten. Einige Meilen von hier entfernt bewachen zwei Polizisten das Haus der Fitzgeralds. Sie haben sich bereits gemeldet. Niemand ist ihnen gefolgt, und die Straße ist menschenleer. Und ob sie nun Charlotte oder Annie heißt, spielt das kleine Mädchen im Moment unbeschwert im Haus ihrer Pflegemutter, ohne von den unauffälligen, eiligen Aktivitäten in ihrer Umgebung das Geringste zu ahnen.
»Mike«, sagt Pearson.
»Was?«
Sullivan hat sich auf das Café konzentriert, doch er wendet sich zu Pearson um und sieht, dass der Kollege in eine andere Richtung schaut, dorthin, wo auf der Ladenseite der Promenade ein Stück entfernt etwas seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.
Sullivan sieht es jetzt auch.
»Mist.«
Eine lockere Kette von Kindern kommt langsam auf sie zu. Die kleinen Mädchen tragen alle die marineblauen Kleider der hiesigen Schule; die kleinen Jungen das passende Gegenstück mit den grauen Hosen. Es sind fünfzehn, zwanzig. Ein paar Mädchen hüpfen; einer der Jungen hält die Hand eines Lehrers. Insgesamt werden die Kinder von vier Erwachsenen begleitet, von denen zwei das Schlusslicht der Reihe bilden, die beiden anderen in größeren Abständen seitlich neben den Kindern laufen, sie in Schach halten und vorandrängen. »Nun macht schon, beeilt euch, es regnet.«
»Zufall?«, fragt Pearson.
Sullivan sagt nichts. Er ist sich nicht sicher. Stattdessen beobachtet er einfach nur die Kinder und die Lehrer. Sie kommen nicht bis zum Café herüber, sondern bleiben an dem Bau der hiesigen Lebensrettungsgesellschaft ein paar Häuser weiter vorne stehen: einer offenen Garage, aus der die flache, weiße Spitze des Rettungsboots bis übers Pflaster ragt. Die Wände im Innern sind mit aufgeblasenen Rettungsringen und alten Fotos geschmückt. Außen sind Plaketten und eine Mülltonne in der Wand verbolzt. Die Kinder begeben sich nach drinnen.
Ein Schulausflug.
Kann das Zufall sein? Sullivan weiß nicht recht, was er davon halten soll oder wo die Verbindung sein könnte, doch beim Anblick der Kinder hat er ein mulmiges Gefühl. Der Mann am Telefon hat kompromisslos auf dem Zeitpunkt bestanden, und hier kommt eine Schar Schulkinder daher. Das kann kein Zufall sein. Vielleicht ist es eine Art Drohung, aber um alles in der Welt begreift er nicht, was der Mann ihm sagen will.
Doch dann sieht er noch etwas.
Der immer noch pfeifende, schneidende Wind scheint ein wenig nachzulassen, und jetzt hört er nur das Blut in den Ohren pochen.
»Nein«, sagt er. »Kein Zufall.«
Von der Vorderfront der Lebensrettungsstation
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