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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ich werde dich niemals vergessen. Niemals. Ich liebe dich. Für immer.« Stumm erhob sie sich. Dann, mit einem Ruck, der sie sichtlich Überwindung kostete, drehte sie sich um, schnappte sich den Besen und brauste auf ihm davon.
    Lukas sah ihr betroffen nach, bis sie hinter den Baumwipfeln verschwunden war. Erst dann wagte er es, sich zu rühren. Vorsichtig schritt er auf den Hügel zu und blieb bestürzt stehen. Er konnte jetzt sehen, was dort vor sich gegangen war. Der Erdaufwurf war komplett mit einem Blütenteppich bedeckt, der ein Gesicht ausformte. Er hatte sich einst gefragt, ob sich Millepertia nach all den Jahren noch an ihre Tochter erinnern konnte. Jetzt kannte er die Antwort. Denn das Gesicht, das die Blüten abbildeten, war unzweifelhaft das eines kleinen Mädchens. Es lächelte ihm unschuldig entgegen. Stockend rann nun auch ihm eine Träne über die Wange, und er kam sich in seinem Treiben schäbig vor. Heute musste der Geburts- oder Todestag der Kleinen sein.
    Plötzlich spürte er Angst in sich aufsteigen. Das eben war ein Abschied auf immer gewesen. Er hatte Millepertias Reden bislang als fixe Idee abgetan, aber sie meinte es offenbar ernst. Hatte sie in ihren Träumen etwa mehr gesehen, als sie ihm verraten hatte?
    Seine Angst schlug in blanke Wut um. Wenn die himmlischen Mächte wirklich so ungerecht waren, wie Millepertia angedeutet hatte, wollte auch er nichts mit ihnen zu schaffen haben. Es war ihm egal, was die Überirdischen mit ihr beabsichtigten. Oder mit ihm. Sie waren Herren ihres eigenen Schicksals. Er hingegen würde Himmel und Hölle gleichermaßen beweisen, dass sie nicht ihre Spielbälle waren.
    »Sophie«, flüsterte er und ballte die Rechte zum Schwur. »Ich weiß, dass du mich nicht kennst. Aber ich verspreche dir bei allem, was mir heilig ist, auf deine Mutter aufzupassen. Ich werde nicht zulassen, dass wir sie verlieren. Ich werde ihre Seele retten – auch wenn darüber die Welt untergeht!«

Orphanus
    S eht, da hinten!« Millepertia wies voraus zu einem bewaldeten Bergkamm, auf dem im Abendlicht die dunkle Silhouette eines Turms auszumachen war. Das Bauwerk wirkte aus der Entfernung wie der antike Leuchtturm von Alexandria, nur ohne das Licht an dessen Spitze.
    Lukas, der nicht nur schwer an seinem Rucksack trug, sondern auch die beiden mit Leinentüchern umwickelten Reisigbesen geschultert hatte, sah gequält auf und blinzelte gegen die untergehenden Strahlen der Abendsonne an. Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht. Das weithin sichtbare Bauwerk war zwar noch einige Kilometer entfernt, doch handelte es sich dabei ohne Zweifel um das bekannte Barbarossa-Denkmal, das Ende des neunzehnten Jahrhunderts zu Ehren von Kaiser Wilhelm dem Ersten erbaut worden war. Der protzige Turm überragte die Ruinen der einstigen Reichsburg Kyffhausen und markierte so ihren Zielort.
    »Na, das wurde auch Zeit.« Lukas fasste die Straße, die sie schon seit gut zwei Stunden entlangmarschierten, ins Auge, wartete einen Pkw ab, der nah an ihnen vorbeibrauste, und suchte sich am Waldrand einen geeigneten Sitzplatz zum Ausruhen. Längst schmerzten seine Füße von der Wanderung. Inzwischen bereute er es, Abrahams Vorschlag unterstützt zu haben, mit dem Zug nach Kelbra ins Kyffhäusergebirge zu reisen, statt sich magischer Reisemethoden zu bedienen. Andererseits befürchtete Abraham sicher nicht ohne Grund, dass ihre Gegner auf jede erdenkliche Weise nach ihnen suchten. Der kleine Zauberer hatte sie daher, wie damals bei ihrer überstürzten Flucht vor der Wilden Jagd, über das verlassene Gängesystem der Ghule aus dem Turm und so in die Nähe des Wormser Bahnhofs geführt. Über sechs Stunden waren für die Zugreise nach Kelbra draufgegangen, den Fußmarsch bis hierher nicht eingerechnet. Dummerweise hatten die Zugtickets das letzte Geld des Sachsen aufgezehrt. Millepertia hatte die Silberpfennige immer noch nicht umtauschen können, so dass sie jetzt vollkommen pleite waren. Ein Plakat in Kelbra hatte ihn zwar daran erinnert, dass die Devils am heutigen Abend irgendwo in der Region ihr Abschlusskonzert gaben, und einen Augenblick lang war Lukas auch versucht gewesen, sie anzurufen und sie zu bitten, sie den Rest ihrer Wegstrecke zu fahren, doch das kam natürlich nicht in Frage. Sicher ließ Mephisto die Band weiterhin beobachten; eine neuerliche Begegnung mit ihm war aus Vorsichtsgründen nicht ratsam. Und das waren nur die weltliche Probleme.
    Viel größere

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