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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Selbstgelöbniß die ersehnte Ruhe fand, war drin im Hause heftige Zwiesprache und Unruhe.
    Der Dekan schlief im Leibgedingstüble der verstorbenen Eltern. Als ihn der Furchenbauer dahin geleitete, sagte er:
    »Das versteh' ich nicht. Der Herr Dekan – der Furchenbauer redete mit seinem Bruder stets in der dritten Person – spricht von Frieden und Verträglichkeit und hetzt das eigene Kind gegen den Vater auf.«
    »Wie thu' ich denn das?«
    »In meinem Verstand heißt das aufgehetzt, wenn man dem Alban sagt, er sei der Lehnhold und er sei morgen Nacht Furchenbauer, und das wird er mit meinem Willen nie, und ich habe dem Herrn Dekan schon gesagt, warum ich den Vinzenz einsetzen muß.«
    »Die Sünde an dem Einen wird dadurch nicht gut gemacht, daß man eine Sünde an dem Andern thut.«
    »So soll ich also meineidig werden?«
    »Davor bewahre uns Gott. Für ein ungerechtes Versprechen kann Der Buße thun, der es gegeben hat. Der Alban soll dann etwas mehr hergeben, daß du dem Vinzenz eine Versorgung kaufen kannst.«
    »Nein, nein, nie; der Alban kriegt meinen Hof nicht, der ist vom Hirzenbauer und von denen, die nichts als theilen wollen, angesteckt; der thät' den Hof, den wir von unsern Ureltern her haben, unter seine Kinder theilen.«
    »Drum komm' ihm zuvor und theil' selbst.«
    »Das kann der Dekan nicht ernst meinen, er ist ja Keiner von den Revoluzern nie gewesen. Das wär' ja gegen alle rechtschaffene Ordnung.«
    »Setz' dich, ich will dir was erzählen,« sagte der Dekan und setzte sich selbst nieder. »Hör' zu: vor Jahren ist ein Mann zu einem Pfarrer in die Beichte gekommen, der nicht aus seinem Ort war, die Stimme war kräftig, etwas stolz im Ton, und viele Jahre ist der Mann immer wieder gekommen und hat immer dasselbe gebeichtet: ich leb' mit meiner Frau in Fried' und Einigkeit, aber wenn sie mir das glückseligste Geheimniß anvertraut, gehen wir immer Beide umher wie zwei junge Leute, die sich verfehlt haben, und ich wünsche den Tod des Kindes noch bevor es geboren ist, und wenn es geboren ist und größer geworden, da zerreißt es mir das Herz, weil ich nicht weiß, welches Kind mir am wenigsten wehe thäte, wenn es stürbe. Mein Weib findet sich bälder darein, sie nimmt es als eine Schickung Gottes auf sich, mich aber verläßt der Gedanke nicht und ich kann nicht ruhen und nicht rasten und ich habe Gott gebeten, er soll mir die große Kinderzahl abnehmen und es ist geschehen und jetzt ist doch mein Herz schwer ob dieser Sünde.« »Und warum hast du einem jungen Leben den Tod gewünscht?« »Damit das Erbe nicht zu klein werde.« Dreimal kam der Mann in derselben Zerknirschung ob derselben Sünde und dreimal erhielt er die Absolution. Als er das Viertemal kam, wurde sie ihm verweigert und er kam nicht wieder; er suchte sich wohl einen andern Beichtiger. »Und diese Todesschuld hat der Mann auf sich, weil er im Stolze heischte, daß seine Nachkommen groß und reich seien. Und dieser Mann – bist du –«
    Wie vom Blitz getroffen fuhr der Bauer empor, da der Dekan sich plötzlich erhoben hatte und seine Hand mit schwerem Schlag ihm auf die Schulter legte. Schnell aber ermannte er sich, und allen Respekt bei Seite setzend rief er:
    »Ist das recht, daß du ein Beichtgeheimniß so verrathest?«
    »Mit dir allein darf ich so reden, und ich muß es – weil du noch in der alten Sünde bist. Du willst das eine Kind am Lebensgute tödten, um das andere damit zu bereichern. Folgtest du dem Zwange des Erbganges, du könntest dich vielleicht freisprechen, die Schuld liegt hinter dir in alten Zeiten. Jetzt aber willst du neues Unrecht pflanzen. Das dulde ich nicht. Ich ziehe meine Hand ab von deinem Thun. Entweder setzest du Alban ein, oder du theilst. Bleibst du bei deinem Vorhaben, so schüttle ich den Staub von den Füßen und ziehe wieder dahin, von wannen ich gekommen.«
    Der Furchenbauer hatte noch allerlei Einwände und besonders über Einen wurde der Dekan auf's Aeußerste aufgebracht, indem der Bauer erklärte, daß er am Tode der Kinder unschuldig sei und dabei das Sprüchwort anführte: »Man trägt mehr Kälberhäute auf den Markt als Ochsenhäute.« (Es sterben mehr Kinder als erwachsene Menschen.) Der allezeit so milde Dekan gerieth darob in solche Heftigkeit und stellte dem Bruder seine Vergangenheit in so greller Weise dar, daß er dadurch die erschütternde Macht, die er bis jetzt geübt hatte, fast ganz einbüßte. Er lernte eine seltsame Verhärtung des Gemüthes kennen, indem der Bauer

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