Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)
Fragen.«
»Sie sind auf dem Gelände?«
»Ja.«
»Na dann kommen Sie doch einfach ins Büro. Ich bin in der Gemeindeverwaltung. Zweiter Stock, Zimmer 214. Bis vierzehn Uhr bin ich noch da. Dann muss ich weg.«
Als Anja den Mann zehn Minuten später durch die offene Bürotür sah, dachte sie erst, es müsste ein Irrtum sein. Er wirkte wie ein Student. Der Raum war mit Tischen und Regalen vollgestellt, auf denen sich Papierbündel und Archivkartons stapelten. Der schlanke, blonde junge Mann saß wie ein Ertrinkender in diesem Chaos und hielt einen Telefonhörer an sein Ohr. Als Anja durch die Tür trat, schaute er nur kurz zu ihr auf und legte die rechte Hand auf die Muschel. »Fünf Minuten bitte.«
Er deutete auf eine Holzbank im Flur. Anja ließ sich darauf nieder. Einwohner- und Meldeangelegenheiten stand auf dem Türschild links neben dem Büro. Rechts davon war ein Wegweiser: Bauamt – Steuern – Kasse.
»Wir sollten das lieber nachher besprechen, Frau Altmeier«, hörte sie den Mann sagen. »Ich komme ja bei Ihnen vorbei.« Er hantierte mit einem Locher herum, hielt den Hörer unter dem Kinn eingeklemmt und versuchte gleichzeitig, irgendwelche Papiere abzuheften. Schließlich gelang es ihm. Er schob den grauen Ordner zwischen eine Reihe anderer der gleichen Farbe und hielt den Hörer nun wieder mit der Hand fest. »Aber das habe ich Ihnen doch schon gesagt, Frau Altmeier. Sie zeigen mir erst einmal die Stelle, und dann erzählen Sie mir alles. Wird Ihre Tochter da sein?«
Er warf Anja einen entschuldigenden Blick zu. Sie signalisierte durch eine Handbewegung, dass sie es keinesfalls eilig hatte und er nur in Ruhe zu Ende telefonieren möge. Die Unterhaltung setzte sich in der gleichen Art noch einige Minuten fort, dann legte er auf.
»Bitte«, sagte er und räumte weitere Papierstapel und Ordner aus seiner unmittelbaren Umgebung zur Seite, um ein wenig Platz zu schaffen. »Kommen Sie herein. Da steht ein Stuhl. Hier sieht es furchtbar aus, tut mir leid. Was führt Sie her?«
Anja nahm sich einen der beiden weißen Klappstühle, die neben zwei Bücherkisten standen, und setzte sich Skrowka gegenüber an den Schreibtisch. Dann griff sie in ihren Rucksack, holte die grüne Blechdose daraus hervor und stellte sie vor ihn hin.
»Das hier«, sagte sie. »Ich wollte Sie fragen, ob Sie damit etwas anfangen können.«
Er beäugte die Dose, drehte sie um, wobei aus ihrem Inneren ein klackerndes Geräusch ertönte, und musterte das Etikett.
»6 Stück T.Mi.Z. 35«, las er halblaut. »Tellerminenzünder. Wo haben Sie denn das her? Aus Wehrmachtsbeständen?«
»Gefunden«, sagte sie, zufrieden, dass ihr diese vage Formulierung eingefallen war.
Er drehte die Dose wieder um, und erneut erklang das Klackern. Er stellte sie vorsichtig auf dem Tisch ab und wich ein wenig zurück.
»Sagen Sie bloß, da sind noch alte Zünder darin?«
»Nein«, erwiderte sie lächelnd. »Sie können den Behälter ruhig öffnen. Ich habe es auch getan.«
Er nahm die Dose wieder in die Hand, zog die beiden ineinandergeschobenen Teile vorsichtig auseinander und betrachtete den Inhalt. Eine Zeitlang sprach niemand ein Wort. Schließlich lehnte er sich zurück, stellte die Dose auf seinen Oberschenkel und betrachtete sie mit ausdrucksloser Miene.
Dann stellte er den Behälter behutsam auf dem Tisch ab, erhob sich und schloss die Tür. »Sie hatten mir am Telefon Ihren Namen genannt?«, fragte er dann.
»Grimm. Anja Grimm. Ich bin Forststudentin. Ich komme aus München. Ich mache hier in der Gegend ein Praktikum.«
Er musterte sie jetzt interessiert. »Und das hier? Haben Sie das im Wald gefunden?«
»Nein. In einem Weilerhof.«
Skrowka nickte stumm. »Eine Familienangelegenheit?«
»Ja. So etwa. Ist das wichtig?«, fragte sie.
»Für mich? Nein. Sie kennen den Besitzer dieses Ordens?«
Anja zögerte mit ihrer Antwort. »Ich bin mir nicht sicher.«
Skrowka schürzte skeptisch die Lippen. »Warum kommen Sie damit ausgerechnet zu mir?«
Anja ließ ihren Blick über die Kisten und Aktenordner schweifen, die sich überall stapelten. »Hätte ich zum Bürgermeister gehen sollen? Oder zu einem Priester? Oder vielleicht zur Polizei?«
Er schwieg einen Moment lang. Sein Mienenspiel verriet, dass er nicht sicher war, wie er ihr Anliegen einordnen sollte. Würde er sie wegschicken?
»Weiß außer Ihnen sonst noch jemand etwas von diesem Fund?«
»Wenn ich Ihnen sage, woher ich das habe, kann ich dann sicher sein, dass Sie
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