Schwelbrand
hetzen«, drohte Lüder.
»Dann seziere ich Sie nach Ihrem Ableben«, erwiderte Dr. Diether. »Oder noch besser: Ich operiere Ihren Blinddarm. Was meinen Sie, wie das aussieht, wenn sich ein Pathologe daran zu schaffen macht?«
»Ihre Frage nach dem Latein«, stieg Lüder auf die Lästereien des Arztes ein, »ist einfach zu beantworten. Sie können doch nur Jägerlatein. Das liegt darin begründet, dass Sie Ihre Kunden aufbrechen wie der Jäger das erlegte Wild.«
»Mag schon sein«, sagte der Arzt. »Nur mit dem Unterschied, dass wir Rechtsmediziner das Wild nicht selbst erlegen. Um Sie aber nicht dumm sterben zu lassen, habe ich ein paar Informationen für Sie. Wir haben keine Spuren von Arzneien, also auch nicht Beruhigungs- oder Betäubungsmittel gefunden.«
»Alkohol?«, fragte Lüder dazwischen.
»Auch nicht. Asmussen war stocknüchtern. Die Teufel haben ihn bei vollem Bewusstsein diesem grässlichen Tod ausgesetzt. Davon zeugen auch die bis auf den Knochen durchgescheuerten Handfesseln, an denen das Opfer wie wild gezerrt haben muss. Auch die Partie unter dem Mundwinkel ist wundgescheuert. Asmussen muss immer wieder versucht haben, das Heftpflaster an der Ecke seiner Uniformjacke abzustreifen. Nein! So eine Tatausführung ist mir noch nicht begegnet. Und das soll etwas heißen, nachdem gerade Sie mir manch skurrilen Fall eingeliefert haben.«
»Haben Sie noch irgendwelche Hinweise, die für uns von Bedeutung sein könnten?«
»Leider nicht«, bedauerte Dr. Diether. »So traurig es klingen mag, aber dieser Fall war für mich relativ einfach, da ich nicht aufwendig nach der Todesursache suchen musste. Es dürfte auch nicht schwerfallen, eindeutig Mord nachzuweisen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Erfolg bei der Fahndung nach den Mördern.«
»Wie kommen Sie auf die Mehrzahl?«, fragte Lüder.
»Das werden die Kollegen von der Spurensicherung sicher besser nachweisen können. Ich gehe davon aus, dass ein Einzelner Asmussen nicht über das Geländer heben konnte, schon gar nicht gegen dessen Widerstand. Ich schätze das Opfer auf gut achtzig Kilo.«
»Wieso ›schätzen‹?«
»Das war jetzt eine dumme Frage«, antwortete Dr. Diether. »Schließlich hatten wir keinen Leichnam, den wir insgesamt wiegen konnten. Ach. Noch etwas. Das Heftpflaster, mit dem man dem Opfer den Mund verschlossen hatte, habe ich an die wissenschaftliche Kriminaltechnik geschickt. Schließlich muss es irgendjemand Asmussen aufgeklebt haben.«
Lüder wusste die Arbeit des Rechtsmediziners zu schätzen. Er hätte nicht mit Dr. Diether tauschen mögen.
Von der Kriminaltechnik gab es noch keine Neuigkeiten. Auch zur Herkunft des Wohnmobils hatte man noch nichts ermitteln können.
Lüder rief seinen Freund Horst an. Der betrieb in der Wik, einem Kieler Stadtteil am Nord-Ostsee-Kanal, eine Werbeagentur.
»Schönberg and Friends«, meldete sich eine weibliche Stimme. Lüder musste lachen. Horsts »Friends« waren ständig wechselnde Damen, die er nur am genussvollen Teil seines Lebens, nicht aber an seiner Werbeagentur teilhaben ließ.
»Ich möchte gern Herrn Schönberg sprechen.«
»In welcher Angelegenheit? Und wen darf ich melden?«, fragte die Frau mit spitzer, desinteressiert klingender Stimme.
»Lüders. Ich rufe vom Land Schleswig-Holstein wegen eines Großauftrags an.«
»Oh«, flötete die Frau plötzlich und versuchte, zuvorkommend zu klingen. »Ich verbinde Sie mit unserem Artdirector.«
Lüder hörte einen Moment Musik, einen wild hämmernden Sound, der ihm in den Ohren schmerzte. Dann knackte es, und er hörte ein tiefes »Tut-tut-tut.« Danach war es still in der Leitung.
»Hallo? Horst?«
»Tut-tut-tut.« Pause. »Immer noch tut-tut-tut«, sagte die Stimme, die das Besetztzeichen zu imitieren versuchte.
»Ich denke, du hast vom Tuten und Blasen keine Ahnung«, sagte Lüder lachend.
»Vom Tuten vielleicht nicht, aber …«, ließ Horst die Antwort offen. »Ich bin nicht Horst, sondern nur der automatische Anrufroboter. Unsere innovative Agentur steht Ihnen für kleine, ach nee, für große Aufträge gern zur Verfügung. Wir arbeiten allerdings nicht für das Landeskriminalamt, schon gar nicht für den wildesten Kriminalrat der Behörde. Tut-tut-tut.«
»Du hast zu viel James Bond‹ gesehen, mein Lieber. Leute wie dich könnten wir hier nicht gebrauchen. Es gibt hier keinen Job für jemanden wie dich. Es können nicht nur junge attraktive Frauen verhört werden. Welche Haarfarbe hat deine
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