Schwelbrand
also gewusst, wo es in Münster das beste Gyros gibt.«
Wester-Ohrstedt war ein Ort, den man durchfuhr, ohne ihn richtig wahrgenommen zu haben. Die Beschaulichkeit und die Lebensqualität, die die Bewohner hier empfanden, erschloss sich dem Besucher nicht auf den ersten Blick. Außer einem Bäcker konnte Lüder keine weiteren Geschäfte entdecken. Der Landgasthof »Westerkrug« auf der Hauptstraße war inzwischen in indischer Hand.
Der Friesweg ging etwa in der Mitte des Dorfes halb rechts ab.
Das Anwesen Alfred Hundts lag ein wenig außerhalb der Ortsbebauung. Für Lüder unterschied es sich in nichts von anderen Höfen. Ein Haus aus Klinkern, das seinen Bewohnern genügend Platz bot, ohne protzig zu wirken. Dafür war es von schlichter Architektur. Ein wenig abseits standen weitere Gebäude, die Lüder für eine Scheune und für eine Remise für landwirtschaftliche Geräte hielt. Zumindest deuteten die zwei Trecker darauf hin, die durch eine offen stehende Tür zu erkennen waren. Vielleicht waren dort auch die Wohnwagen untergestellt. Vor dem Haus parkten zwei Fahrzeuge, ein dunkelgrüner Passat und ein arg mitgenommen aussehender Corsa älterer Bauart.
Lüder hielt hinter den Fahrzeugen an und stutzte zunächst, als ein zotteliger Berner Sennenhund um die Hausecke bog und mit heraushängender Zunge neugierig vor dem BMW stehen blieb.
»Der tut nichts, der will nur spielen«, sagte der Oberkommissar, stieg aus und kraulte dem Hund das Fell hinter dem massigen Kopf. »Die sind gutmütig«, erklärte er.
Lüder sah sich um. Niemand war zu sehen. Er ging auf den Hauseingang zu, was den Hund veranlasste, ihm zu folgen und neben Lüder herzutrotten.
»Hundt«, las Lüder auf einem handgefertigten Keramikschild neben der Haustür. »Der Köter hat ein eigenes Namensschild«, rief er über die Schulter Große Jäger zu, der am BMW stehen geblieben war und sich eine Zigarette angezündet hatte. Nachdem sich auf das Klingeln hin nichts gerührt hatte, beugte sich Lüder zu dem Sennenhund hinunter. »Wohnt außer dir noch jemand hier?«
Er betätigte die Türglocke ein weiteres Mal. Ohne Erfolg.
»Niemand zu Hause«, sagte er und wandte sich um, als hinter ihm geöffnet wurde. Eine Frau mit kurzen Haaren, Lüder schätzte sie auf Ende vierzig, erschien, zog hinter sich die Tür ins Schloss und sagte knapp: »Hallo.«
»Moment mal«, rief ihr Lüder hinterher. »Sind Sie Frau Hundt?«
Große Jäger, der sich zu Lüders Missfallen auf den Kotflügel gesetzt hatte, zeigte auf den Berner Sennenhund, der an der Seite der Frau in Richtung des Passats ging. »Mit ihm da verwandt?«
»Keine Zeit«, sagte sie.
»Wo steckt Ihr Mann?«, versuchte Lüder sein Glück.
»Unterwegs. Kommt gleich wieder.« Dann stieg sie in den Passat und fuhr davon.
Lüder sah über das Feld, das sich auf der anderen Straßenseite erstreckte, und breitete die Arme aus. »Manchmal ist auch die Polizei machtlos.« Dann betrachtete er nachdenklich die nach Süden ausgerichteten Dachflächen, die bis zum letzten Quadratzentimeter mit Photovoltaik-Elementen ausgelegt waren.
Geduldig warteten sie, bis nach einer Viertelstunde ein Mann in einem über und über mit Dreck bespritzten Geländewagen vorfuhr. Als er ausstieg, hätte Lüder fast gelacht. Die grobe Cordhose steckte in Gummistiefeln, die blaue Arbeitsjacke hing lose über den Hosengürtel, und auf dem Kopf saß ein Cordhut. Der Mann glich einer Kopie des Schauspielers Peter-Heinrich Brix in der Serie »Neues aus Büttenwarder«.
Er griff sich eine Milch- und eine Brötchentüte vom Beifahrersitz, raffte zwei weitere Teile zusammen und klemmte sich die bunte Boulevardzeitung unter den Arm. Mit dem Knie schlug er die Wagentür zu.
»Herr Hundt? Alfred Hundt?«, fragte Lüder.
»Warum?«
Große Jäger löste sich vom BMW und ging langsam auf den Mann zu. »Ich nehme an, weil Ihre Eltern Sie so genannt haben.«
»Hä?«
»Sie fragten, warum Sie Alfred Hundt sind.«
»Quatsch. Was wollen Sie?«
»Auskünfte.« Lüder hatte es Große Jäger überlassen, mit dem Mann zu sprechen.
»Was für Auskünfte?«
»Richtige.«
»Mann, ich hab keine Zeit. Ich hab Kohldampf.« Er hielt die Brötchentüte in die Höhe.
»Uns stört es nicht, wenn Sie dabei essen, während Sie uns ein paar Fragen beantworten.«
»Komm mit rein«, sagte der Mann.
Da er keinen Widerspruch erhoben hatte, unterstellte Lüder, dass er der Hausherr war.
Hundt führte sie durchs Haus in eine Küche, in der sich rund
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