Schwestern des Mondes 01 - Die Hexe-09.06.13
entfernten, desto wacher wurde er. Als wir uns der Höhle am Eingang des Hügels näherten, blieb er stehen und starrte auf die Öffnung.
»Ich will nicht da rausgehen«, sagte er, den Blick auf den Ausgang geheftet.
»Warum? Was ist denn?«
»Sie werden kommen und mich holen«, sagte er.
Ich warf Morio einen Blick zu. Was hatten wir denn hier? »Wer will Sie holen, Tom? Verfolgt Sie jemand?«
Er zögerte, und dann – wie ein Kind, das beschließt, einer Autoritätsperson zu vertrauen – zuckte er mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wer sie sind, aber heute Morgen ist jemand ums Haus geschlichen, und ich habe Angst bekommen. Also bin ich durch den Wald gelaufen und habe mich bei Titania versteckt.«
Ich starrte Tom einen Moment lang an. Er war nicht so benebelt, wie ich gedacht hatte. Vielleicht hatte Titanias Gegenwart auf ihn wie eine Droge gewirkt. »Können Sie mir sagen, wie sie aussehen? Wissen Sie, wie viele da draußen waren?«
Tom sog nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne. Gleich darauf sagte er: »Ich glaube, es waren drei. Zwei Männer und eine Frau.«
Zwei Männer und eine Frau. Ich warf Morio einen Blick zu. »Das müssen Bad Ass Luke, der Psychoschwafler und Wisteria gewesen sein. Nach dem Tod der Harpyie haben sie Wisteria offenbar dazu gebracht, mehr für sie zu tun, als sie nur durch das Portal zu schmuggeln. Ich wette, sie haben gedroht, sie zu töten, wenn sie nicht tut, was sie verlangen.«
Morio nickte. »Da hast du wahrscheinlich recht.« Er wandte sich Tom zu. »Sie waren vor Ihrem Haus?«
»Ja«, sagte Tom und schüttelte dabei den Kopf. »Ich war draußen im Wald und habe mir mein Frühstück geangelt. In einem Bach, den ich gefunden habe, gibt es reichlich Forellen. Als ich mit meinem Fang wiederkam, habe ich in der Einfahrt etwas gehört. Ich habe mich den Weg entlanggeschlichen, weil ich erst mal sehen wollte, wer das war. Ich mag keine Fremden. Ich habe drei Leute vor meinem Haus gesehen. Es war noch so dunkel, dass ich sie nicht richtig erkennen konnte, und ich bin gleich weggelaufen, weil sie sich so böse angefühlt haben«, sagte er beinahe entschuldigend.
Ich seufzte. Offensichtlich hatten die Dämonen nach ihm gesucht. Welch ein Glück, dass Tom sich gerade sein Frühstück im Wald gefangen hatte. Ansonsten hätten die Dämonen jetzt das Geistsiegel und wären auf dem Heimweg in die Unterirdischen Reiche. Aber wo steckten sie jetzt? Wisteria hatten sie im Haus zurückgelassen, aber was war mit Bad Ass Luke und dem Psychoschwafler? Würde es uns gelingen, Tom nach Seattle zurückzubringen, bevor sie uns entdeckten und versuchten, ihn uns wegzunehmen? Ich biss mir auf die Lippe und überlegte fieberhaft, was wir nun tun sollten.
Morio spähte aus der Höhle nach draußen. »Smoky ist immer noch da«, sagte er.
Ich warf ebenfalls einen Blick auf den Drachen. »Ich frage mich... Titania hat uns ein Emblem gegeben, damit er uns als Freunde passieren lässt. Ich überlege gerade, ob das ausreichen könnte, um ihn dazu zu bringen, dass er uns beschützt, während wir Tom zum Auto zurückbringen.«
»Fragen kostet nichts... na ja, womöglich doch. Ich meine, uns bleibt nichts anderes übrig, also können wir ihn ebenso gut darum bitten.« Morio wandte sich Tom zu. »Fürchtest du dich vor dem Drachen da draußen?«
Tom schüttelte den Kopf. »Nee. Er ist ganz nett, für einen Drachen. Ich komme immer hier raus und halte ein Schwätzchen mit ihm, wenn ich mich einsam fühle. Er droht mir ständig, er würde mich fressen, aber weil ich Titania gehöre, tut er es dann doch nicht.«
»Tja, wir können nicht den ganzen Tag hier herumstehen«, sagte ich. »Ihr beiden wartet hier, während ich mit dem Herrn mit dem feurigen Atem rede.« Ich trat aus der Höhle und stieß einen schrillen Pfiff aus. »He du, Drache!«
Er ließ den Kopf herumfahren und starrte auf mich herab. »Wo ist die zweibeinige Plage?«
»In der Höhle.« Ich hielt das Emblem hoch. »Titania hat gesagt, ich solle dir das zeigen.«
Die Wirkung war erstaunlich. Smoky blinzelte, richtete sich auf und wich zurück. »Sie hat dir ihren Pass gegeben? Nun, dann, kleiner Hexling, musst du wirklich etwas ganz Besonderes sein. Geh deines Weges, und ich werde dich nicht als Abendessen dabehalten.«
Sein ständiges Gerede von Mahlzeiten und Desserts ging mir allmählich auf die Nerven. »Jetzt hör mal zu, Smoky –«
»Wie hast du mich genannt?« Er beugte sich vor, und ich starrte plötzlich in einen
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