Science Fiction Almanach 1981
ihre Hände wie nutzlose Flügel an ihrer Seite herabsinken.
Ihr Mann hatte sich im Schlaf umgedreht.
„Jim?“ sagte sie. Das Zimmer war still; sie hörte seinen Atem nicht mehr.
„Jim?“
Er fing wieder an zu atmen, und auch sie holte tief Luft. Sie fragte sich, ob er wach war und nur vorgab zu schlafen. Sie ging zurück ins Bett. Sie schliefen Rücken an Rücken, eine Wand von Luft zwischen ihnen.
Die Vögel, die auf dem Mond leben, sind merkwürdig gebaut: groß und mit schweren Körpern haben sie Flügel, die für ihre Größe zu klein wirken. Wenn sie ruhen, ve r schwinden die Flügel scheinbar, da sie sich in die Seite ei n passen. Ihre Füße sind groß, häßlich und stark; ihr Griff ist so stark, daß die Vögel in jeder Stellung schlafen können – mit dem Kopf nach unten, nach der Seite wegstehend – so lange der Fels, an dem sie sich verankern, fest steht.
Carmen deckte den Tisch für das Frühstück. Sie legte die Sets auf den Tisch, das Silber und die Servietten, die Teller, die Schalen für die Cornflakes, ein Glas für Milch und ein kleineres für Obstsaft und Kaffeetassen mit Untertellern für Mama und Papa. Carmen vollführte ihre Bewegungen nach einem metronomischen Rhythmus. Ihre Schritte von und zum Tisch hatten immer die gleiche Anzahl, und sie teilte ihre Bewegungen ein, als seien sie Schritte für eine langwe i lige, aber präzise Tanznummer.
Amalie machte Rühreier und sah ihr zu. Jim kam, fertig für die Arbeit angezogen, herein. Sie meinte sich daran eri n nern zu können, daß er ihr gesagt hatte, er brauchte heute nicht zur Arbeit zu gehen; aber sie fragte nicht. Er würde ihr nur sagen, daß sie sich täusche. Und was machte es aus? Er konnte hingehen, wohin er wollte, ihr erzählen, wozu er Lust hatte.
„Gut geschlafen?“ fragte sie.
„Klar. Ich trinke nur Kaffee.“
Sie fragte sich, ob er heute zum Zentrum gehen würde, als ginge er zur Arbeit. Sie fragte sich, ob das der Ort war, wo er den größten Teil seiner Zeit verbrachte. Oder vie l leicht würde er nach Houston fahren, in das Museum mit den Mondfelsbrocken und den Raumkapseln, die von der Raumfahrt und dem Wiedereintauchen vernarbt waren und die man jetzt mit Schaufensterpuppen als Astronauten b e stückt hatte? Sie erinnerte sich an das erste Mal, als sie eine Tour der NASA mitgemacht hatten, damals, als er gerade nach Houston versetzt worden war, sogar noch, bevor er ihr davon erzählt hatte, daß die Möglichkeit bestand, daß er zum Mond fliegen würde (sie hatte es aber erraten) – und ein Feld fiel ihr ein, von dem ein Teil aus irgendeinem Grund mit diesen kalkweißen Austerschalen bedeckt war, die so gern dazu benutzt werden, unbefestigte Straßen, Einfahrten und Parkplätze mit einer Decke zu versehen.
Ihr Führer hatte im Scherz auf diesen Teil des Feldes g e deutet und gesagt, das sei die simulierte Mondlandschaft, die dazu benutzt wurde, um Astronauten das Gehen auf dem Mond beizubringen. Jim war vom Rand der Straße weg auf dieses Feld gesprungen und hatte ein verirrtes Unkraut h e rausgezogen, das sich zwischen den Schalen hochgearbeitet hatte. „Ja, Kontrolle Houston, auf dem Mond gibt es Leben!“
Jetzt dachte sie daran, an dieses kurze Stück tödlich we i ßer Schalen und Felsen, das von den Feldern von Texas u m geben war. Sie dachte an Jim, wie er dagestanden und sich auf den Mond gewünscht hatte.
„Du solltest zum Frühstück etwas essen“, sagte Amalie. „Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit am Tag.“
„Ich weiß. Ich trinke einen Kaffee.“
Carmen holte sich Cheerios mit vollen Händen aus der Schachtel und schaufelte sie in ihre Cornflakes-Schale.
„Carmen, willst du etwas von dem guten Rührei?“
Carmen schüttelte ihren Kopf bestimmt dreimal hin und her und widmete sich weiter den Cheerios.
Amalie sah sich die Eier voll Abneigung an. Sie hatte morgens nie Hunger. Jim wollte selten mehr als Kaffee, und Carmen wollte von nichts wissen, bis sie damit fertig war, ihre Cheerios vorzubereiten und zu essen – und wenn sie das geschafft hatte, waren die Eier kalt. Sie fragte sich, warum sie sich überhaupt die Mühe machte und kratzte das dam p fende Rührei in den Müllschlucker.
„Gehst du heute zur Arbeit?“ fragte sie Jim. Er hatte den Platz ignoriert, der für ihn am Tisch gedeckt worden war, und stand an die Wand gelehnt und blies auf seinen Kaffee.
„Ja, ja, da gibt es einiges zu erledigen“, sagte er. „Vie l leicht bin ich zum Essen zurück.“
„Bis
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