Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
Lächeln.
»Danke, ich bleibe lieber hier.«
Ihr Blick wanderte über den Trümmerhaufen. »Hier? Was heißt hier, Sean?«
»Na ja, es ist nun mal mein Leben«, sagte er und entzog ihr langsam seine Hand.
Joan wirkte verlegen und stand auf. »Es gab einen Augenblick, da dachte ich tatsächlich, am Ende würde alles so ausgehen wie im Märchen.«
»Wir würden uns nur ständig streiten.«
»Und das wäre schlimm, oder?«
»Halt mich auf dem Laufenden«, sagte er ruhig. »Ich möchte wissen, wie es dir ergeht.«
Sie holte tief Luft, tupfte sich die Augen und richtete dann den Blick auf das Bergpanorama. »Ich glaube, ich hab mich noch gar nicht dafür bedankt, dass du mir das Leben gerettet hast.«
»Doch, hast du. Und du hättest das Gleiche für mich getan.«
»Ja, das hätte ich«, erwiderte sie ernst. Sie wandte sich ab und sah dabei so elend aus, dass King aufstand und sie umarmte. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Pass gut auf dich auf«, sagte sie. »Sei so glücklich, wie du nur sein kannst.« Sie wandte sich zum Gehen.
»Joan?« Sie drehte sich um. »Weißt du, warum ich nie verraten habe, dass du in diesem Fahrstuhl warst? Weil ich dich gemocht habe, sehr gemocht sogar.«
Eine Zeit lang blieb King allein, bis Michelle vorfuhr und sich zu ihm gesellte.
»Ich würde ja fragen, wie’s dir geht«, sagte sie, »aber ich glaube, ich kenne die Antwort schon.« Sie hob ein Stück Trockenmauer auf. »Du kannst es wieder aufbauen, Sean, und noch schöner als vorher.«
»Ja, schon, nur ’n bisschen kleiner. Ich bin in einer Lebensphase, in der ich alles ein bisschen reduzieren möchte. Klare, einfache Linien, hier und da vielleicht sogar ein bisschen Unordnung.«
»Du willst mich wohl auf den Arm nehmen? Aber sag mal, wo willst du denn in der nächsten Zeit wohnen?«
»Ich denke daran, mir im Jachthafen ein Hausboot zu mieten und es hier festzumachen. Das heißt, während des Wiederaufbaus im Winter und vielleicht auch noch im nächsten Frühjahr könnte ich auf dem Wasser leben.«
»Klingt gut.« Michelle sah ihn nervös an. »Und wie geht’s Joan?«
»Sie ist auf und davon in ihr neues Leben.«
»Mit ihren neuen Millionen. Warum hast du denn auf deinen Anteil verzichtet?«
»Vertragsknechtschaft ist auch nicht das Gelbe vom Ei.« King zuckte die Achseln. »Wenn du hinter die titangehärtete Fassade schaust, ist Joan eigentlich ein prima Kerl. Und ich glaube, sie liebt mich wirklich. Unter anderen Umständen hätte es mit uns beiden vielleicht sogar funktioniert.«
Michelle schien wissen zu wollen, welche Umstände das Happyend verhindert hatten, hielt es dann aber doch für besser, keine weiteren Fragen zu stellen.
»Und wo kommst du her? Aus Washington?«, fragte King.
»Ja, ich musste da noch ein paar Dinge erledigen. John Bruno hat – welch ein Glück für unser Land – seine Präsidentschaftskandidatur zurückgezogen. Jefferson Parks hat man übrigens an der kanadischen Grenze erwischt. Du warst ihm auch schon auf die Schliche gekommen?«
»Erst gegen Ende. Schließlich fing die ganze Sache damit an, dass Howard Jennings unter dem Zeugenschutzprogramm nach Wrightsburg kam und ich ihn einstellte. Parks war der Mann, der für ihn verantwortlich war – und der Einzige, der das alles hatte arrangieren können.«
»Das war’s also, was ich immer gesucht habe! Ich habe den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen!« Michelle schüttelte den Kopf und fuhr dann fort: »Parks hat Simmons und Tasha Reed angeworben, die Frau, die ich im Hotel erschossen habe; er kannte sie ebenfalls aus dem Zeugenschutz. Morse hat sie alle bezahlt. Der Haftbefehl für Bob Scott war eine Fälschung. Parks hat ihn in die Schachtel gesteckt, die er dann Joan gab. Wir sollten auf diese Weise zu dem Bunker geführt werden, den Morse in Scotts Namen gekauft hat. Scotts Leiche wurde in den Trümmern des Fairmount gefunden.«
»Und das alles im Namen der Liebe«, sagte King matt.
»Ja, jedenfalls im Namen jener kranken, verkorksten Vorstellung, die Sidney Morse davon hatte.« Michelle setzte sich neben King. »Und was hast du als Nächstes vor?«
»Na, was schon? Zurück in die Kanzlei, als Anwalt und Notar.«
»Willst du etwa behaupten, dass du nach all der Aufregung wieder Pachtverträge und Testamente abfassen willst?«
»Man kann davon leben.«
»Ja, aber das ist doch kein richtiges Leben, oder?«
»Und was ist mit dir? Der Secret Service hat dich doch sicher wieder eingestellt.«
»Trotzdem hab ich
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