Sean King 01 - Im Bruchteil der Sekunde: Roman
Bootsdeck, streifte sich Schuhe und Kleider ab, sprang ins dunkle Wasser, blieb eine Zeit lang unten und tauchte dann, nach Sauerstoff schnappend, wieder auf. Das Wasser des Sees war wärmer als die Luft.
Seine Karriere als Secret-Service-Agent war mit der Freigabe des Videobands eines lokalen Fernsehsenders, auf dem das Attentat auf Clyde Ritter aufgezeichnet worden war, schlagartig zu Ende gewesen. Aus den Bildern ging eindeutig hervor, dass King den Blick länger als erlaubt abgewandt hatte. Man sah, wie der Attentäter seine Pistole zog, zielte, schoss und Ritter tötete – und Leibwächter Sean King blickte während des gesamten Vorgangs traumverloren in eine andere Richtung. Der Film zeigte sogar, dass einige Kinder schneller auf die Waffe in der Hand des Täters reagierten als King, der viel zu spät merkte, was hier gespielt wurde. Damals hatten die Medien King zum Hauptschuldigen gestempelt – zum einen angestachelt von dem empörten Aufschrei des Ritter-Lagers, zum anderen aber auch, weil sie sich um keinen Preis Voreingenommenheit gegen einen ungeliebten Kandidaten nachsagen lassen wollten.
Er konnte sich noch an die meisten Schlagzeilen erinnern: »Leibwächter sieht weg, während Präsidentschaftskandidat stirbt« – »Altgedienter Personenschützer versagt« – »Leibwächter schläft – Schützling tot«. Am schlimmsten für King aber war, dass er nach dem Attentat von den meisten seiner Kollegen geschnitten wurde.
Seine Ehe war unter dem Stress zerbrochen, auch wenn man gerechterweise sagen musste, dass es schon vorher nicht mehr besonders gut um sie gestanden hatte. King war viel öfter unterwegs als zu Hause gewesen, und immer wieder war es vorgekommen, dass man ihn von einer Stunde auf die andere abkommandiert hatte und er abreisen musste, ohne zu wissen, wann er wieder zurückkehren würde. Unter diesen Umständen hatte er seiner Frau den ersten und auch noch den zweiten Seitensprung verziehen. Nach dem dritten freilich trennten sie sich, und als sie nach dem Zusammenbruch seiner Welt rasch in die Scheidung einwilligte, konnte King nicht von sich behaupten, dass er ihr viele Tränen nachweinte.
Wie dem auch sein mochte, er hatte die Affäre überstanden und sein Leben neu geordnet. Aber was kam nun auf ihn zu?
Langsam kletterte er wieder an Bord seines Motorboots, wickelte sich ein Handtuch um den Bauch und fuhr zurück. Doch statt direkt zum Bootsschuppen zu fahren, drehte er Motor und Lichter ab und glitt in eine kleine Bucht ein paar Hundert Meter von seinem Anlegeplatz entfernt. Dort ließ er geräuschlos den kleinen Telleranker zu Wasser, damit das Boot nicht ans schlammige Ufer trieb.
An der Rückseite seines Hauses zitterte ein Lichtkegel hin und her. Er hatte Besuch. Entweder, dachte King, schnüffeln da Reporter herum – oder aber der Mörder von Howard Jennings sucht sich sein nächstes Opfer.
KAPITEL 11
Leise watete er an Land, zog seine Kleider wieder an und kroch in die dunklen Schatten des Ufergebüschs. Der Lichtkegel wurde hin und her geschwenkt, als durchkämme jemand das Gelände, das auf der Ostseite an sein Grundstück anschloss. King schlich sich zur Frontseite seines Hauses, die von einer dichten Baumreihe abgeschirmt wurde. Ein blaues, ihm unbekanntes BMW-Cabriolet parkte auf der Zufahrt. Schon wollte er sich den Wagen näher ansehen, als ihm einfiel, dass es vielleicht doch besser wäre, dies nicht ganz unbewaffnet zu tun. Mit einer hübschen großkalibrigen Pistole in der Hand würde er sich viel sicherer fühlen.
Er schlüpfte ins dunkle Haus, holte die Waffe und ging durch eine Seitentür wieder hinaus. Dass der Lichtstrahl inzwischen verschwunden war, beunruhigte ihn. Er kniete nieder und lauschte. Keine fünf Meter rechts von ihm knackte laut ein Ast. Dann hörte er einen Schritt, gefolgt von einem zweiten. Er spannte alle Muskeln an. Die Pistole war entsichert.
Er schnellte vor und traf den Eindringling ziemlich tief und ziemlich hart. Beide stolperten und fielen. King landete auf dem Körper des anderen und hielt ihm die Pistole vors Gesicht.
Nur – es war kein Er. Es war eine Sie! Und auch sie hatte eine Pistole, mit der sie auf King zielte. Die Läufe der beiden Waffen berührten sich fast.
»Was, zum Teufel, treibst du denn hier?«, fragte er wütend, als er sein Gegenüber erkannte.
»Wälz dein Gestell von mir runter und lass mich Luft holen, dann erklär ich ’s dir«, fauchte die Frau ihn an.
Er ließ sich Zeit, und als sie die Hand
Weitere Kostenlose Bücher