Sean King 02 - Mit jedem Schlag der Stunde: Roman
Ungefähr um fünfzehn Uhr hat die Wirkung nachgelassen, etwa neun Stunden nach der Einnahme, also im Rahmen der durchschnittlichen Wirkungsdauer. Das aber konnte nur möglich sein, wenn er es nach Sallys Tod eingenommen hatte. Sally wurde weniger als sieben Stunden nach dem Gespräch mit mir ermordet. Deshalb fiel mir Eddies lange Bewusstlosigkeit auf. Sie passte einfach nicht ins Gesamtbild, zumal wir davon ausgingen, dass auch Dorothea betäubt worden war, sich aber viel früher davon erholte. Selbst unter Berücksichtigung ihrer Resistenz war die Abweichung viel zu groß.«
Williams schlug sich auf den Schenkel. »Verdammt, daran hab ich überhaupt nicht gedacht.« Er zeigte mit dem Finger auf Bailey. »Und Sie auch nicht.«
Bailey zuckte die Schultern.
»Sicher war es vorstellbar«, fuhr King fort, »dass der Mörder Eddie betäubt hätte, wäre es nicht Eddie selbst gewesen, aber dann wäre es einige Zeit vor Sallys Ermordung geschehen, sodass Eddie zum Zeitpunkt der Tat ganz bestimmt außer Gefecht gewesen wäre. Er hätte damit keinesfalls bis nach Sallys Ermordung gewartet. Welchen Sinn hätte es denn da noch gehabt? Im Normalfall will ein Mörder den Tatort schnellstens unbemerkt verlassen und nimmt sich nicht die Zeit, völlig grundlos jemanden zu betäuben.«
»Das leuchtet mir ein«, gab Bailey zu.
»Und die sieben Stunden Diskrepanz haben mich noch auf etwas anderes gebracht. Wenn Sally wegen der Informationen getötet worden war, die sie mir kaum sieben Stunden vorher gegeben hatte, musste in meinem Hausboot eine Wanze versteckt sein. Wie sonst hätte Eddie so rasch davon erfahren können? Vermutlich ist er Sally bis zu mir gefolgt und hat im Auto gelauscht. Ich musste etwas dagegen unternehmen, darum habe ich mir dieses Ding hier besorgt.«
Er hielt ein kleines Gerät in die Höhe. »Ein Sendemessgerät und Frequenzsucher mit einem Messbereich von ein bis drei Megahertz. Außerdem hat es eine sechzehnfach abgestufte Anzeige, auf der man die Frequenzstärke ablesen kann. Dadurch war es mir möglich, das Versteck der Wanze zu finden.«
»Sie haben die Wanze entdeckt, aber nicht entfernt?«, fragte Bailey.
»Genau. Solange Eddie glaubte, dass die Informationen stimmten, konnte ich die Wanze ja verwenden, um ihn aufs Eis zu locken.«
»Es war mutig von Harry und Remmy, bei dieser Sache mitzumachen«, meinte Michelle.
»Keiner der beiden ahnte, dass Eddie der Täter ist, bevor er etwas gesagt hat. Ich bedaure, dass ich Remmy eine so böse Überraschung bereitet habe, aber ich glaube, sie vorher darin einzuweihen, dass ihr Sohn der Gesuchte ist, wäre für sie noch viel schlimmer gewesen.«
»Ich war ziemlich nervös«, gestand Williams. »Klar, wir hatten das Haus umstellt, aber er hätte trotzdem jemanden erschießen können.«
»Ich war mir sicher, dass das nicht geschieht, wenn ihm deutlich wird, dass Harry an Bobbys Tod unschuldig ist. Eddie hat sich fair verhalten, das muss ich ihm lassen. Er hat gemordet, jedoch aus ganz speziellen Gründen. Für alle Fälle trug Harry eine kugelsichere Weste. Dadurch saß sein Anzug ein bisschen eng, aber Sicherheit musste vor Bequemlichkeit gehen. Und natürlich war es klug, in der Bibliothek ein Dutzend Bewaffneter zu verstecken.« King griff in den Schreibtisch und nahm einen anderen Gegenstand heraus.
»Was ist denn das?«, fragte Sylvia neugierig.
»Eine Dechiffrierscheibe, um verschlüsselte Nachrichten in Klartext zu übertragen. Diese Version haben während des Bürgerkriegs die Konföderierten benutzt. Eddie hat ein Exemplar in seinem Atelier.« Er drehte die Scheibe in den Händen. »Verstellt man die Scheibe um nur eine einzige Drehung, etwa so wie eine Minute auf einem Uhrenziffernblatt, verändert sich die gesamte Bedeutung der Nachricht. Dazu braucht es nur einen Tick Abweichung. Ich bin sicher, dass Eddie dadurch auf die Idee mit den je nach Opfer abgewandelten Uhrzeiten gekommen ist. So was entspricht seiner Kreativität und seiner Vorliebe für die Bürgerkriegsgeschichte.«
»Aber ich begreife nicht, dass er Alibis hat«, wandte Bailey ein. »Wir haben ihn dahingehend überprüft. Als Steve Canney, Janice Pembroke und Diane Hinson ermordet wurden, hat er an Bürgerkrieg-Reenactments teilgenommen.«
»Ja, sicher, aber die Teilnehmer übernachten in ihren Autos oder in Zelten. Eddie konnte ohne Schwierigkeiten über Nacht fort sein, ohne dass irgendwer es merkte. Ich habe es mir auf der Landkarte angesehen. Bei keinem der Morde war er
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