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Seeherzen (German Edition)

Seeherzen (German Edition)

Titel: Seeherzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margo Lanagan
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auf den Sand zu unseren Füßen.
    Lass uns nach Hause laufen
, hätte ich gern gesagt,
und so weiterleben wie bisher.
Doch auch hier lagen verstreute Kleidungsstücke herum, die Hälfte davon im seichten Wasser, und dazwischen die Schnüre, mit denen Grinny und Batton die Bündel zusammengezurrt hatten. Wie viele Mums und Jungen schon weg waren! Mum hatte sich vor mich hingekniet, knöpfte mir summend das Hemd auf, und ihr Gesicht leuchtete hell im Mondlicht – strahlte wie der Mond selbst –, und ich war erst zu sehr damit beschäftigt, mich über ihre Freude zu freuen, um meine Zweifel zu äußern, und dann zu erschrocken über die eisige Meeresbrise und die Gischtspritzer auf meiner nackten Haut.
    Zuletzt zog sie mir Stiefel und Hose aus. Ich stützte mich auf ihren Schultern ab, suchte auch deshalb Halt, weil mir der Gedanke zusetzte, dass sie gleich keine Schultern mehr
haben
würde, dass wir beide weder Schultern noch Hände haben würden. Nun war ich nur noch in die Kälte der Nacht eingehüllt und in mein Grauen vor dem Wasser, ich zitterte und war von Kopf bis Fuß mit Gänsehaut überzogen.
    «Schlüpf rein», forderte sie mich auf, und schon war ich ganz damit beschäftigt, mich in den Anzug aus Schafshaut mit den kratzigen Seetangnähten hineinzuquetschen und nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während meine Füße in dem engen Schwanz des Anzugs steckten. Seit sie die Haut für mich genäht hatte, war ich ein winziges Stück gewachsen; ich japste nach Luft, beschwerte mich aber nicht, als sie mich einschnürte, denn sie sang währenddessen auf eine besondere Weise, baute verschiedene Melodien auf einer sich stetig wiederholenden Tonfolge auf, und ich befürchtete, sie würde ganz von vorn anfangen müssen, wenn ich sie unterbrach. Dann müsste ich noch länger in dem engen, steifen Anzug ausharren, der nach Lamm und Meer-Moder stank, und wir würden diesen albtraumübersäten Strand mit noch mehr Verspätung verlassen.
    Sie überprüfte, ob meine Zehen und Finger vollständig in den fest verschnürten Ärmelenden steckten. Sie zog mir die raue Kapuzenmaske über das Gesicht und begann, sie am Kragen zu befestigen. Es fühlte sich an, als würde sie mir den Mund zunähen und mein Kinn an die Brust – so schnell und energisch hatte sie noch nie genäht. Ich hielt still, während sie mir den Nacken schmerzhaft nach hinten zog; meine zaghaften Wimmerlaute gingen in ihrem Gesang unter, der jetzt entschlossen klang und beinahe ein wenig verrückt, mir lauter vorkam und mir mehr Angst einjagte als das Prusten und Krachen des Meeres.
    Durch die Augenlöcher sah ich ihr, so gut es ging, zu, um nicht auf die Wellen blicken zu müssen, um nicht darüber nachdenken zu müssen, was wir gerade taten. Sie schleuderte ihr Kleid zwischen die anderen, zog ihre Unterwäsche aus, hielt sie in die Höhe und ließ sie sich fröhlich lachend vom Wind aus der Hand reißen, und dann war sie nur noch Haut und fliegendes Haar, unbeeindruckt von der Kälte, unbehelligt von einengenden Menschenkleidern.
    Mit einem einzigen freudigen Ruck löste sie den Knoten des Pelzbündels. Die Robbenhaut entfaltete sich auf den Felsen, und mit einem Schrei unter meiner Maske sprang ich zurück, so lebendig breitete sich die Haut dort in ihrer schimmernden Schwärze aus, wurde vor meinen Augen dicker und weicher. Ich japste in meiner trockenen Ledermaske nach Luft, und durch meine angeklatschten Haare krabbelte der Angstschweiß.
    Mum stürzte auf mich zu, küsste mein Maskengesicht und rief etwas – vielleicht in Robbensprache, denn ich konnte keinen Sinn heraushören. Dann hob sie den anschwellenden Pelz in die Höhe, und er sank auf sie herab, legte sich um sie, klammerte sich an ihr fest und schloss sich um sie herum.
Klapp
und
klopp
und
slip
machte er und
snick
, bis sie ganz darin verschwunden war. Und dann fiel sie aus dem Stand mit zusammengepressten Hinterflossen direkt in die kleinen Wellen hinein, wurde zur Robbe und schwamm schwungvoll auf das tiefere Wasser zu.
    Sie wandte sich um, und in der Robbe war noch genug von meiner Mum, dass ich als ihr Sohn nicht anders konnte, als ihr zu folgen, also ließ auch ich mich fallen und fiel zappelnd durch die geronnene Luft in den schaumigen Wassersaum des Meeres. Dort nahmen mich das Wasser und die Magie auf, und das, was an mir Robbe war, überlagerte den Jungenteil in mir. Ich hörte auf, zu denken, zu planen und zu entscheiden, wie es in einer Erzählung Sinn ergeben würde,

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