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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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seinen Augen las er Bereitschaft.
    »Ich werde Ihnen dabei helfen, Teneker, Zacharias und Florence zurückzuholen.« Thorpe nickte Helen zu, bevor er sich von Agnes die Sensoren des lokalen Interface-Systems anlegen ließ. Er brauchte sie eigentlich gar nicht, denn er war bereits auf den Patienten fixiert; dafür hatten Vandenbrechts Biochemiker und Psychomechaniker in Nagaoka und Tokio gesorgt, während der langen Vorbereitungen.
    »Was?«, fragte Helen verwirrt.
    »Unser Mr. Thorpe ist ein stilles Wasser mit ungeahnten Tiefen«, sagte Rasmussen und trat in die Mitte des Raums. »Das Institut hat ihn nicht nur zu uns geschickt, damit er nach dem Rechten sieht. Er ist auch ein Traveller wie ihr. Behauptet er jedenfalls.«
    Du weißt nichts, du hast nicht die geringste Ahnung, du dummer alter Sack!, dachte Thorpe, und das war eindeutig ein fremder Gedanke, der die Konditionierung durchbrochen hatte, denn er dachte: Es tut mir leid. Ich habe euch alle kennen- und schätzen gelernt, und es tut mir leid, euch auf diese Weise zu hintergehen, aber die Umstände lassen mir keine Wahl. Es steht zu viel auf dem Spiel.
    Die Traveller der Foundation murmelten überrascht, und Rasmussen hob die Arme. »Ruhig, Kinder. Thorpe begleitet euch auf die Reise. Falls er es schafft. Konzentriert euch nicht auf ihn, sondern auf die Mission. Ich möchte, dass ihr Teneker, Zacharias und Florence zurückholt. Alles andere ist nebensächlich«, fügte er mit einem Seitenblick zu Fukuroku und den Patienten hinzu, den die Aufgehende Sonne gebracht hatte. »Was auch immer unsere Freunde festhält: Ihr seid mehr als zwanzig, die Therapeuten gar nicht mitgerechnet, und ihr solltet mit allem fertigwerden können. Noch irgendwelche Fragen?«
    Es blieb still.
    »Also gut.« Rasmussen trat zu den neben der Tür installierten Hauptkontrollen. »Ihr müsst ohne Lily zurechtkommen, aber das sollte kein Problem sein, denn wir verzichten diesmal auf Telemetrie und Datenauswertung. Helen, du übernimmst die Führung. Ich wünsche euch eine gute Reise.« Er schaltete das Interface-System ein, das die Traveller und Therapeuten untereinander und mit dem Patienten verband.
    Thorpe ließ sich fallen, nach innen, und aus dem Innern kam ihm jemand entgegen, ein anderer Thorpe, jener Thorpe, der seit der Ausbildung dort gewartet hatte und von dem manchmal die absurden Gedanken gekommen waren.
    Der Traum, die Falle, öffnete sich und schnappte zu.
    Es war heiß in dem Bus, weil die Klimaanlage nicht funktionierte. Männer und Frauen, jung und alt, wischten sich Schweiß von der Stirn.
    Hitze ist gut. Sie lenkt ab. Die Sinne müssen beschäftigt sein.
    Die Sonne brannte von einem wolkenlosen Himmel, ihr Licht so hell, dass man ohne Sonnenbrille kaum nach draußen sehen konnte.
    Hell, gut. Das Meer auf der einen Seite und der Vulkan voraus …
    Sie näherten sich der Stadt, beziehungsweise ihren Resten, von Nordwesten, auf einer Straße, die so schmal war, dass der Bus fast die gesamte Breite der Fahrbahn einnahm. Wenn sich zwei Busse begegneten, musste einer von ihnen in einer Haltebucht warten, bis der andere vorbei war. Die Straße erinnerte Thorpe an die Amalfitana weiter im Süden, auf der anderen Seite der sorrentinischen Halbinsel. Die stand für den nächsten Tag auf dem Programm, falls eine weitere Fahrt nötig war. Thorpe, der vorn neben dem Fahrer saß, schaute in die Unterlagen und beobachtete, wie auf der Übersicht weitere Programmpunkte erschienen, als er die optionalen Traumsequenzen überprüfte. Sie waren vollständig und abrufbereit, enthielten zahlreiche Details: alle Straßen und Sehenswürdigkeiten bis hinab nach Scilla und Villa San Giovanni in Kalabrien. Eine Ausflugsfahrt, oder mehrere Fahrten, bis sie – er – ihr Ziel erreichten.
    »Es ist heiß«, klagte eine Frau. »Warum funktioniert die verdammte Klimaanlage nicht? Ich habe für einen Bus mit Klimaanlage bezahlt. Und es ist so hell. Wenn ich gewusst hätte, dass es so hell ist, hätte ich meine Sonnenbrille mitgenommen. Das Glitzern des Meeres macht mich blind.«
    Thorpe hielt plötzlich eine Sonnenbrille in der Hand, geschaffen von den Optionen , und reichte sie der Frau. »Ich habe sie für Sie mitgenommen, Helen.«
    »Oh«, sagte die Frau und strich eine feuchte Haarsträhne aus der schweißbedeckten Stirn. »Oh, danke.« Es klang widerstrebend, wie enttäuscht darüber, sich nicht weiter beschweren zu können. Neben ihr saß der kleine, schmächtige Duke und blickte wie halb in

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