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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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wurde immer später, die Frauen arbeiteten und feierten schon lange, und Umma kam nicht.
    Achtzehn Monate lebten Umma und ihr fremdartiger, hellhaariger Gefährte nun schon bei Fatmas Stamm, seit dem Tag, als man die beiden obdachlos, halb verdurstet, erschöpft und von Hunger gepeinigt in der Wüste gefunden hatte. Und in diesen anderthalb Jahren hatte Umma niemals eine Gelegenheit versäumt, von den Beduinen zu lernen. Wo blieb sie nur?
    Wieder durchforschte Fatma das Lager mit suchendem Blick.
    Sie hatten ihre Zelte in einer großen Oase nicht weit von der Stadt Babylon aufgeschlagen: mehrere Beduinensippen, Karawanen und auch Alleinreisende. Sie alle teilten sich das Wasser und die Datteln, die hier im Überfluß gediehen. Fast eintausend Menschen, schätzte Fatma, und doppelt so viele Tiere. Der Rauch von hundert Lagerfeuern stieg über den Zelten in die Luft; Stimmengewirr, Gesang und Gelächter schallten in den Abend. Hatte Umma in der Menge vielleicht Soldaten entdeckt? Hatte sie Gefahr gewittert und sich ein Versteck gesucht? Oder, fragte sich Fatma hoffnungsvoll, hatte sie endlich die Möglichkeit zur Flucht entdeckt, nach der sie schon so lange suchte?
    Fatma wußte, daß ihre junge Freundin eine Gejagte war und eine Besessene – besessen von einem Traum, von einer Berufung, von der Liebe zu einem Mann, von dem sie grausam getrennt worden war. Mit brennenden Augen hatte sie Fatma eines Nachts, als alle anderen schon schliefen, ihre Geschichte erzählt. »Ich habe so viele hilflose Menschen gesehen«, hatte sie leidenschaftlich gesagt. »Menschen, die Pflege und Behandlung brauchen, die niemanden haben, der ihnen hilft, keinen Ort, wo sie Zuflucht suchen können. Das ist meine Berufung, Fatma, diesen Menschen zu helfen. Mit Andreas zusammenzuarbeiten …«
    Fatma schüttelte den Kopf. Die beiden jungen Leute taten ihr von Herzen leid. Sie kannten keinen Augenblick der Ruhe oder des Friedens, lebten in ständiger Angst vor Verfolgern, waren unablässig auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Immer sehnten sie sich fort, verlangten verzweifelt nach der Rückkehr zu ihrer Familie, zu den Menschen, die sie liebten. Was für ein schreckliches Leben war das für das arme Ding! Fast zwanzig Jahre alt und noch nicht verheiratet!
    Aus dem Inneren des Zelts kam lautes Gelächter. Mit gerunzelter Stirn blickte Fatma noch einmal suchend zum Lager hinaus. Möge Allat verhüten, daß meiner Freundin etwas zugestoßen ist!
    Es war ein furchtbarer Fluch, der Umma und Wulf wie ein schwarzer Schatten folgte. Fatmas Mann hatte dem Stamm von dem königlichen Erlaß berichtet, von dem er gehört hatte, als er eines Abends vor achtzehn Monaten seine Schafe für die Nacht in den Pferch getrieben hatte. Berittene Soldaten waren, wie er erzählte, vorübergekommen und hatten ihn nach zwei Flüchtlingen befragt, die aus dem Palast von Magna, weit im Norden, entwichen waren. Für ihre Ergreifung war eine hohe Belohnung ausgesetzt; jedem aber, der ihnen Obdach gewähren sollte, drohten die schrecklichsten Vergeltungsmaßnahmen. Die ganze unglaubliche Geschichte hatten die Beduinen einige Tage später erfahren, als sie die beiden Flüchtlinge ausgehungert, erschöpft und von der Sonne verbrannt gefunden und bei sich aufgenommen hatten.
    Bedauernswerte Umma, dachte Fatma. Sich den Zorn einer so grausamen Königin zugezogen zu haben und, schlimmer noch, ohne Heim, ohne Familie leben zu müssen. Die Beduinen, denen die Familienbande alles bedeuteten, sahen Ummas größtes Unglück darin, daß sie nicht wußte, wer ihre Eltern waren; daß sie nicht nur Vater und Mutter, sondern auch den Bruder verloren hatte. Einen Ehemann, hieß es unter den arabischen Frauen, kann man immer finden, einen Sohn kann man immer gebären, aber ein Bruder ist unersetzlich.
    Fatma wünschte, sie hätte Umma helfen können. Immerhin war sie die
shayka,
die weise Frau ihres Stammes, und verfügte daher über große Macht. Dennoch würde sie Umma nie vergelten können, daß sie vor achtzehn Monaten das Leben ihres neugeborenen Kindes gerettet hatte. Von den Wehen der schweren Geburt dieses späten Kindes – Fatma war schon in ihrem vierzigsten Jahr gewesen – völlig erschöpft, hatte Fatma sich von dem Säugling abgewandt, als die Hebamme ihn ihr an die Brust legen wollte. Und da hatte Umma eingegriffen. Sie hatte den Säugling genommen, der vor der Zeit geboren und sehr schwach war, und hatte ihn mit einem langen Stück Stoff auf Fatmas Brust

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