Seelenriss: Thriller
Blick rastlos durch den Raum.
Das Klingeln des Handys hallte unablässig durch den Hausflur, als Luise Wittner urplötzlich innehielt. Ein eiskalter Schauer durchfuhr ihre Glieder, als sie begriff, dass ihr der Klingelton nur allzu bekannt vorkam. Gott, nein! Jegliche Hoffnung, diesem Alptraum doch noch zu entkommen, fiel endgültig von ihr ab. Da war niemand von der Polizei. Der jetzt da telefonierend auf dem Hausflur stand, war kein anderer als ihr Ehemann.
Unter anderen Umständen hätte sie sich sicher gefreut, dass Vincent früher als erwartet nach Hause kam, doch jetzt konnte das für ihn den sicheren Tod bedeuten. Erneut schossen ihr die Tränen in die Augen, als sie mit ansah, wie ihr Peiniger, von Panik ergriffen, auf und ab ging und sich die stoppelkurzen blonden Haare raufte, ehe er mit dem Messer in der Hand in den Flur schlich.
Nein, bitte! Nicht Vincent! Luise Wittner betete dafür, dass ihr Ehemann auf dem Absatz kehrtmachen und wieder verschwinden würde. Geh weg! Hörst du? Ich flehe dich an – verschwinde, solange du noch kannst!
30
An der Eingangstür wäre Lena fast mit einem jungen Mann zusammengestoßen, als sie gegen Mittag das Café in der Wörther Straße betrat, in dem sie mit Lukas verabredet war. An den Wänden hingen großformatige 30er-Jahre-Schwarzweißfotografien, die dem gut gefüllten Café, zusammen mit den samtbezogenen Polstermöbeln und den antiken Kronleuchtern, ein gemütliches Ambiente verliehen, das so gar nicht zu ihrer augenblicklichen Stimmung passte. Obwohl sich ein Teil in ihr darauf freute, Lukas zu sehen, lief ihr die Zeit davon. Hätte er sie nicht ausdrücklich darum gebeten, ihr seine angeblich so brandheißen wie ermittlungstechnisch relevanten Informationen persönlich mitzuteilen, hätte sie sich erst gar nicht auf dieses Treffen eingelassen.
Lena blickte sich nach Lukas um. An den schätzungsweise zwanzig Tischen saßen Mütter mit Kindern oder junge Leute mit Laptops. Sie entdeckte Lukas ganz hinten am Fenster. Er blätterte in einer Zeitschrift. Vor ihm stand eine große Cola. Sein Anblick ließ ihr Herz höherschlagen, aber sie war im Moment zu angespannt, um einen Gedanken an ihr Privatleben zu verschwenden. Zielstrebig lief sie auf Lukas zu und nahm ihm gegenüber Platz.
»Was gibt’s denn so Dringendes?«, fragte sie, nachdem er sie mit einem Kuss auf die Wange begrüßt hatte. In diesem Moment blieb eine Kellnerin mit blaugefärbten Haaren und tief dekolletiertem Spaghetti-Top an ihrem Tisch stehen, um ihre Bestellung aufzunehmen. »Danke, aber ich bin nur auf dem Sprung«, meinte Lena.
Lukas blickte sie mit schräggelegtem Kopf an. »Für einen schnellen Kaffee wird die Zeit doch wohl reichen.«
Lenas Lippen verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln. »Na schön, dann einen Espresso, bitte«, sagte sie, an die Kellnerin gewandt. Lena bestellte grundsätzlich immer dasselbe: tagsüber Espresso und in den Abendstunden Rotwein zum Entspannen oder aber Gin Tonic, wenn sie ausging, was nicht allzu häufig vorkam. Sie wartete noch, bis sich die Blauhaarige entfernt hatte, und fragte: »Also?«
Lukas schlug seine Rolling Stone zu und lächelte sie geheimnisvoll an. »Was hältst du von einem kleinen Deal? Informationen gegen Dinner.«
Fassungslos starrte sie ihn an. »Das ist jetzt nicht dein Ernst?«
Er lachte amüsiert auf. »Und ob – aber keine Sorge, ich koche, du bringst lediglich den Wein mit. Was hältst du von, sagen wir, acht Uhr bei mir?«
Lena fand das ganz und gar nicht komisch. »Verdammt, Lukas – ich stecke bis über beide Ohren in den Ermittlungen zu einer Mordserie!« Sie stand auf, kramte etwas Kleingeld für ihren bestellten Espresso aus der Hosentasche und legte es auf den Tisch. »Hätte ich gewusst, dass du mich nur herbestellst, um …« Sie brach ab, als sie bemerkte, dass einige der Gäste sie schief ansahen.
»Jetzt warte doch mal«, sagte Lukas und bat sie, sich wieder zu setzen. »Ich habe ein wenig, nennen wir es … recherchiert … und bin dabei auf die eine oder andere Sache gestoßen, die dich sicherlich interessieren wird«, sagte er schnell.
Seufzend musterte ihn Lena und setzte sich schließlich wieder. Wenn bei Lukas von Recherchieren die Rede war, hieß dies im Klartext, dass er seine begnadeten Fähigkeiten als Hacker dazu nutzte, um sich illegal in irgendwelche Netzwerke, Sicherheitssysteme oder andere streng geheime Datenbanken einzuschleusen. In der Hackerszene war Lukas längst kein Unbekannter
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