Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
mehr
als die verrückte Idee eines machthungrigen Dämons. Doch
nun, wo sogar Ruth, die Frau, die einen nahezu krankhaften Hass auf
Gregor versprühte, bestätigte, dass es diese Prophezeiung
wirklich gab… so wie es aussah war die Welt wirklich in
schrecklicher Gefahr.
Obwohl…irgendwie
war das ja falsch. Die Prophezeiung sagte zwar, dass Luzius zurück
auf die Erde kommen würde, aber sie besagte auch, dass es drei
Personen gelingen würde, ihn zu vernichten. Warum machten sich
die Schattenkrieger dann überhaupt Sorgen? Ihre Verwirrung
musste ihr deutlich anzusehen sein, denn Ruth setzte sich neben sie
und fragte laut: „Was ist los?“
Melica hob den Blick, die
Züge vor Unverständnis verzerrt. „Ich verstehe nicht,
warum Gregor dann so wild darauf ist, herauszufinden, wer mit der
Prophezeiung gemeint ist. Wenn Prophezeiungen immer wahr werden,
warum dann diese Angst? Das Böse wird doch besiegt werden!“
Ruth schüttelte den
Kopf, langsam und mit einer unheimlichen Verbitterung. „Die
Prophezeiung sagt, dass es drei Dämonen gelingen wird, das Böse
zu zerstören. Sie sagt jedoch nicht, wann genau dies passieren
wird. Vielleicht schaffen sie es, bevor die gesamte Menschheit in die
Sklaverei geführt wurde. Vielleicht aber auch nicht. Gregor und
seine Jünger wollen die drei so schnell wie möglich finden,
um sie früh auf ihre Rollen vorbereiten zu können. Denn was
nützt die Vernichtung des Bösen, wenn dieses zuvor die
Seelen der gesamten Menschheit ausgesaugt hat?“ Und auch dieses
Mal wartete Ruth nicht auf eine Antwort: „Gregor glaubt also,
die Prophezeiung spräche von dir? Welche Verbindung hast du zu
dem jungen Stefan?“
„ Er ist mein Onkel“,
antwortete Melica schlicht.
„ Mutig, treu und
klug, ihre Schicksale verwebt“, hauchte Ruth leise vor sich
hin. Ein Ruck ging durch ihren Körper, ihre ganze Haltung schien
sich mit einem Mal zu verändern. „Du könntest es
tatsächlich sein. Vielleicht werde ich das Ende dieses ganzen
Alptraumes ja doch noch erleben“, krächzte sie mit
bebender Stimme. „Gib mir deine Hände, Mädchen.“
Melica kam ihrer
Aufforderung nach einem kurzen Augenblick der Überraschung nach.
Als sie die pergamentartige, kalte Hand Ruths berührte, fielen
deren Augen schlagartig zu. Ein immer lauter werdendes Stöhnen
wich von den Lippen der alten Frau.
Melica wollte ihre Hände
zurückziehen, doch sie konnte es nicht. Ruth umklammerte ihre
Hände nahezu schraubstockartig, während ihr Mund aufklappte
und gurgelnde Laute hervorsprudelten. Melica konnte nur warten, bis
dieser skurrile Moment endlich vorbeiging.
„ Du bist es“,
stellte Ruth plötzlich fest, die Stimme wieder vollkommen klar.
Während Ruth ihre
Augen wieder öffnete und ihre Hände entspannte, war Melica
vor Entsetzen wie gelähmt. Aber Ruth war noch nicht fertig:
„Wenn es soweit ist, wirst du keinerlei Hexenkräfte mehr
besitzen.“
Eine nie gekannte
Müdigkeit überfiel Melicas Körper, sie wollte
schlafen, schlafen und nie wieder aufwachen. „Aber…woher
wissen Sie das?“
„ Woher ich das
weiß?“, wiederholte Ruth und lachte leise. „Woher
ich das weiß… Woher soll ich wissen, woher ich das weiß?
Ich weiß es. Mehr weiß ich nicht.“
„ Aber…ich
kann es nicht sein! Ich…ich bin doch nur…“ Melica
brach ab, wusste nichts zu sagen.
Ruth schien es jedoch auch
so zu verstehen: „Ich verabscheue die meisten von euch, aber
Stefan ist ein wirklich netter junger Mann. Er hat es genauso wenig
wie du verdient, das Schicksal der gesamten Welt auf den Schultern
tragen zu müssen. Ganz im Gegensatz zu dem Dämon, der dich
verwandelt hat. Wer bereit ist, einen solch jungen Menschen wie du es
warst, aus dem Leben zu reißen, muss auch damit zu Recht
kommen.“
Melica blickte Ruth aus
feuchten Augen an. „Wovon sprechen Sie?“
Ein Schatten huschte über
Ruths Gesicht und ließ sie noch älter wirken als sie es
ohnehin schon war. „Der Dämon, der schuld daran ist, dass
du dieses Leben führen musst. Er hat seine Spur in deinem Wesen
verankert, so wie jeder Dämon es tut, wenn er jemand anderen
verwandelt. Er ist der dritte Dämon, von dem die Prophezeiung
spricht. Das spüre ich.“
Melica starrte Ruth so
fassungslos an, als hätte sie ihr gerade eröffnet, die Erde
sei dreieckig und sowieso nicht mehr als eine einzige, große
Lüge. „Sie wollen mir sagen, dass der Sarcone, der mir all
das angetan hat, der Dämon, der mich einfach so aus meinem Leben
gerissen hat –
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