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Seelensunde

Seelensunde

Titel: Seelensunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silver Eve
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mit demselben Ergebnis: kein Bild, kein Ton. Sie hatte keine Ahnung, ob es normal war, dass er sich nicht zeigte. Sie hatte keine Erfahrung darin. In den vergangenen sechs Jahren seit ihrem Pakt mit ihm hatte sie darauf verzichtet, ihn sich aus freien Stücken ins Haus zu holen. Sie hatte ihre Aufträge erledigt, und je seltener er sich von sich aus gezeigt hatte, umso dankbarer war sie dafür gewesen. Nur gerade jetzt brauchte sie ein paar Antworten auf die Fragen, die sie bewegten, und sie konnte sich gut vorstellen, dass er die Antworten kannte.
    Da Naphré damit nicht weiterkam, hatte sie beschlossen, sich noch einmal die Setnakht-Priesterin vorzunehmen. Es war besser, die Initiative zu ergreifen, als darauf zu warten, dass sie ihr wieder mit einem Gewehr im Anschlag nachstellte. Jedoch schien das Glück Naphré momentan im Stich zu lassen. Kein Dämon in Sicht und keine Djeserit Bast in Reichweite. Etwas Positives gab es dann doch: Der Reaper war nicht wieder aufgetaucht.Tief im Herzen war sie ein bisschen enttäuscht, dass er so rasch aufgegeben hatte. Die kleinen Wortgefechte zwischen ihnen hatten ihr Spaß gemacht. Und wie er sie angesehen hatte … Geradezu verschlungen hatte er sie mit den Blicken. Auch nicht gerade unangenehm.
    „Dumme Gans“, schimpfte sie leise. Wie konnte sie nur eine Sekunde lang denken, dass der Sohn Sutekhs jemand war, mit dem man sich mal locker zum Essen verabredete? Oder ins Bett hüpfte? Welchen Ausdruck hatte er noch benutzt? Vögeln . Sehr apart. Andererseits hatte es seit Jahren keinen Mann mehr gegeben, der sie auch nur entfernt auf solche Gedanken gebracht hätte, was in erster Linie daran lag, dass sie keine Frau für halbe Sachen war. Entweder sie liebte jemanden und dann mit Haut und Haaren und Vertrauen und allem, was sonst dazugehörte, oder eben nicht. Dazwischen gab es für sie nichts. Liebe. Für solch ein Projekt war ein Seelensammler die denkbar schlechteste Wahl. Sag ihm nur, du willst ihm dein Herz schenken. Er wird es nehmen. Aber auf andere Weise als erwartet.
    Verdrossen ließ sie den Blick auf den roten Backsteinmauern auf der anderen Straßenseite ruhen. Dabei gab es dort absolut nichts zu sehen. Das Interessante geschah hinter diesen Mauern, und davon war sie ausgeschlossen. Es wäre wirklich klüger gewesen, nach Hause zu gehen und etwas Schlaf nachzuholen. Was sie davon abhielt, war eine dumpfe Ahnung, die ihr sagte, dass dort etwas vor sich ging, das sie in Erfahrung bringen musste . Naphré hatte gelernt, ihrer Intuition zu vertrauen. Intuition war ein nicht zu unterschätzendes Instrument.
    Sie konnte genauso gut warten, bis die Party vorbei war. Wie lange konnte es noch dauern? Eine Stunde? Zwei? Vielleicht ergab sich ja doch noch eine günstige Gelegenheit, dort hineinzukommen. Oder sie hatte das Glück, Djeserit Bast allein zu erwischen, wenn sie den Tempel verließ.
    Also blieb Naphré, wo sie war. Wenig später spürte sie einen kalten Windhauch, der ihr das Haar ins Gesicht wehte und sie erschauern ließ. Wieder musste sie an ihren verhängnisvollen Paktmit dem Dämon denken. Eines Tages würde sie den Preis dafür bezahlen. Da gab es keinen Ausweg. Jedenfalls wusste sie keinen.
    Sie konnte zu den Isistöchtern gehen und dort um Hilfe bitten. Aber auch das hieße, ihre Seele zu verkaufen. Und hatte sie sie nicht verkauft, gerade um den Isistöchtern zu entrinnen? Sie hatte sich der Hierarchie, dem Geheimbündlertum und seinen Forderungen nach unbedingter Treue und blindem Gehorsam nicht unterwerfen wollen.
    Die Isistöchter hatten drei Blutlinien: die Adaptives, die Keeper und die Guides. Die Guides waren die Avantgarde, die Vorhut und die Aggressivsten. Sie sondierten das Terrain bei allen Einsätzen und, wenn sie es für nötig hielten, töteten sie. Da ihre Mutter zu den Guides gehörte und sich die Linien vererbten, war Naphré auch eine der Guides. Zunächst hatte Naphré das Erbe angenommen. Sie hatte sich dem Training unterzogen und sich sogar das Zeichen des Ankh mit den Flügeln und Hörnern in die Haut gebrannt. Den letzten Schritt jedoch hatte sie nicht mehr vollzogen. Sie hatte das erste Blut nicht genommen, das hieß Blut von Lebenden getrunken, was ihr übernatürliche Kräfte verliehen hätte.
    Naphré wollte nicht auf Befehl töten. Und was war geschehen? Schließlich war sie genau dort gelandet, wovor sie davongelaufen war. Sie war bezahlte Auftragskillerin geworden. Nur eben für einen anderen Auftraggeber. Es schien doch so

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