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SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)

Titel: SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Mühsam richtete sie sich auf. Nilah stemmte sich hoch. Als sie sich umdrehte, hielt sie inne. Das auf- und abschimmernde Licht tauchte einen Baum in seine Schatten. Knorrig, seine eigenen Wurzeln wie um sich schlingend, sah der Baum aus, als habe er flüssigen Stein in seine Kapillaren gezogen. Kein einziges Blatt an den Ästen. Wir wirr standen sie vom Stamm ab und alle neigten sie sich in nur eine Richtung. Im Grunde wirkte der Baum wie ein Mensch, dessen Haar fortgeweht wurde. Die Rinde zerfurcht, Altersfalten, grau und noch immer an einigen Stellen grün. Wissend und stur. Verbunden und treu. Da wusste sie es: ›Akkosh.‹
    Als sie diesen Namen dachte, da fielen aus den Spitzen der Äste blaue Tropfen, platschten auf den Boden. Immer schneller taten sie das und so, wie die Pfützen auf dem Steinboden wuchsen, so schrumpften die Äste. Schon bildeten sich blaue Lachen, die allesamt zurück zu ihrem Stamm flossen. Immer mehr zerfielen die Zweige, bis sie nur noch stumpfe Anfänge waren. Mehr und mehr entblößten sie den Stamm, der schmelzend in sich zusammenfiel, bald nur noch aus einem Stumpf bestand. Und darin zum Vorschein kam ein Kopf, der in blauer Farbe zu schwimmen schien. Nilah erkannte Schlüsselbeine, Schultern. Liran tauchte aus dem Stamm auf.
    Akkosh zog sich aus dieser Welt und floss zurück in jene, in die er einst gebannt worden war. In Lirans Leib. Wie ein Schwamm nahm seine Haut das Element des Holzes auf und verschluckte es. Bis nur noch ein Mann übrig blieb, der auf den Boden klatschte und blutend liegenblieb. Nackt. Feuer- und Wassersymbole wanderten über seinen Körper, als wären sie wütend. Nilah stürzte auf ihn zu und nahm ihn in ihre Arme.
    Soviel Blut.
    Beide Schultern waren fast nur noch rohes Fleisch, ebenso seine Knie. Die Fingernägel sahen aus, als hätten sie gegen ein lebendiges Grab gekämpft. Das Wasser in seinem Körper bildete sofort hauchdünne Membranen darüber. Die schwarzen Haare klebten auf seinen Wangen wie Striemen, die Lippen wie zu einem stummen Schrei geformt. Liran war gegen seine eigene Magie angetreten und hatte verloren.
    Nilahs Tränen kullerten auf seine geschlossenen Augen und rannen über sein Gesicht. Dieses schöne, anmutige Gesicht. Hatte A´kir Sunabrus geschundene Seele jemals gewusst, welch tiefes Unglück er da mit sich in den Sarkophag genommen hatte? Der tote Magier hatte einen Mann mit sich gerissen, der nie hier hatte sein wollen. Und doch, als er seinen Fuß endlich in diese Zeit setzen musste, nicht eine Sekunde gezögert hatte, um zu beschützen. Plötzlich fühlte Nilah die ganze Macht der Sinnlosigkeit. Es war so wie Liran gesagt hatte. Die Entscheidungen eines Einzelnen veränderten das Leben so vieler anderer, die nie danach gefragt worden waren.
    Sie spürte, wie Lirans Wimpern gegen ihre zitterten. Blinzelnd schlug er sie auf, die blauen wundervollen Augen, und sie hielt ihn, presste ihre Haut auf die seine, als zählte nur noch der Augenblick. Da war nichts mehr, nur Nilah und Liran.
    »Du bist hier, du hast ... hast ihn besiegt«, hauchte er.
    Nilah antwortete nicht.
    ›Ja‹, sagte ihr Blick. ›Ich bin hier. Für immer hier mit dir.‹
     
    Doch es gab kein für immer. Die drei Spiralen pochten glänzend ihre Linien bis in die Spitze der Kammer. Ihr Takt wurde langsamer, schwächer. Nilah wusste, was das bedeutete.
    »Die Seele der Welt stirbt, Liran.« ›Ich habe es gesehen. Sunabrus letzte verzweifelte Tat hat die Schöpfung der Erde vergiftet. Ich habe versagt.‹
    Ruckartig richtete sich der Krieger auf. Der Augenblick war zer-
rissen.
    »Nein, solange das deine schlägt, schlägt auch das Herz der Erde weiter.« Stöhnend stand er auf. Blutige Rinnsale an Armen und Beinen. »Das Herz schlägt weiter, das Herz ... schlägt weiter ...« murmelte er, als er sich anzog, wobei er zischend die Luft einzog, als Hose und Pullover über die Wunden glitten. Aber Nilah fühlte seine Furcht. Etwas, das man immer und immer wieder sagte, war noch nie deshalb zur Wahrheit geworden, nur weil man es wollte. Wäre die Welt so einfach, so würden alle Betenden sie längst gerettet haben. Sie stand auf und plötzlich kam ihr die Kammer kleiner, enger vor. Die drei Spiralen stemmten ihr Leuchten tapfer weiter gegen die Dunkelheit.
    Der Krieger stellte sich neben den Brunnenschacht, der im Licht ebenso entstand und wieder verging wie der gesamte Crannóg. Die Überreste der Blutbäume und Schmerzbringer nur noch grauer Staub.
    »War es das

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