SeelenZauber - Die Wahrheit (German Edition)
Piken hindurch, bis sie wie angehalten liegen blieb.
Nilah lachte wild. Das war Nummer eins!
Verbissen arbeitete sie weiter. Zwischendurch trank sie gierig aus der Flasche, die Ahab ihr eingesteckt hatte, kaute Kräuter, die bestimmt von Sinuhe waren und sie wach bleiben ließen. Schweiß sammelte sich an ihrem Nacken und rann den Rücken hinunter. Mittlerweile taten ihr auch die Arme weh und ihre Hand schmerzte. Sie konnte sie nicht mehr richtig strecken, so verkrampft war sie. Es kam ihr vor, als hätte sie seit ihrer Geburt diesen Hammer umklammert und jetzt weigerte sich die Hand, wieder eine normale Hand zu sein.
Sie war erschöpft, aber es war nicht nur das. Diese Erschöpfung hatte einen Beiklang. Als wäre sie ein Krug, den man ausgeschüttet hatte, achtlos umgekippt und aller Inhalt verrann nun.
Sie schwankte leicht. Die Lider des Drachens waren immer noch geschlossen, obwohl sie inzwischen diesen ganzen verdammten konstruierten Helm zerschlagen hatte. Stück für Stück. Da lag er nun, zerstört und wie loser Schrott auf dem Boden verstreut.
Doch der Drache öffnete seine Augen nicht. Er lag da wie tot. Kein Wort des Dankes, keine Erleichterung darüber, dass dieses Ding endlich weg war, er hatte sich nicht einmal gerührt, obwohl es ihm sicher fürchterliche Schmerzen bereitet haben musste, als sie es entfernt hatte. Keine einzige Regung!
Nilah sah nach unten auf die Steinplatten, auf denen sie stand. Sie sah ihre nackten Zehen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie die Sandalen ausgezogen hatte. Ihre Hände fingen an zu zittern, dann juckte ihre Nase und schließlich zuckten ihre Mundwinkel.
›In welcher Hölle war sie hier gelandet? Konnten sich Tränen und Verzweiflung immer wieder neu auffüllen, wie ein Fluss durch Regen? Um dann, immer wenn man gerade allen Mut verlor, erneut seine Fluten zu senden?‹
Aber es war mehr darin. Es war, als blickte sie über einen rissigen Rand hinaus, mitten in einen Schlund aus Irrsinn. Und das Schlimmste daran war, sie sah etwas dort unten, das ihr mehr Angst machte, als alles andere auf der Welt. Ihr eigenes Gesicht. Und was ihr dort entgegen blickte, machte sie fast blind vor Entsetzen. Es war Zorn. Reiner, unverfälschter Zorn!
Ihre eigene, nach vorn gedrehte Münze. Jene Seite, auf die man niemals setzt, egal, ob sie ein Kopf oder eine Zahl schmückte. Man wollte sie nicht sehen. Man wollte immer nur die eine, die richtige Seite sein.
Nilah spürte, wie etwas nach ihr griff. Wie es seine ins Endlose wachsenden Finger nach ihr ausstreckte. Ganz sanft, als wollte jemand nur kurz Hallo sagen, aber die Finger waren kalt. Sie taten weh ...
»Es ist genug!«
Nilah sah auf. Benommen schüttelte sie den Kopf und die grellen Bilder tropften ihr wie Wasser aus den Haaren, schlugen zu Boden und verschwanden lautlos.
»Was ist hier los?«, fragte sie verwirrt und befühlte ihre Hand, die sich wieder ziemlich gut anfühlte.
Der Drache hatte noch immer die Augen geschlossen und antwortete nicht, sondern schien zu lauschen.
Im Grunde wusste Nilah nicht, wie man sich einen Drachen überhaupt vorzustellen hatte. Woher auch? Je länger sie ihn ansah, desto mehr hatte sie das Gefühl einem fürchterlichen Betrug aufzusitzen. Er hatte keine Schuppen, das war schon mal komisch. Und er hatte keine Flügel, das war noch verstörender. Die Haut, wenn man sie denn so nennen konnte, war fleckig, gelblich, irgendwie verwittert. Als wäre es tatsächlich nur eine Statue aus Stein. Es war erneut eine bittere Tatsache, die sie sich nur schwer eingestehen konnte. Man mochte Dinge und Lebewesen lieber, oder besser: man schloss jene schneller und inniger ins Herz, die auch hübsch waren. Die beeindruckend aussahen.
»Danke« , sprach der Drache.
Nilah schreckte aus ihren Gedanken auf.
»Wofür?«
»Dafür, dass du einen dieser Schatten überschritten hast – für mich.«
Nilah nickte.»Irgendwie hat es sogar gut getan. Also müsste ich mich eigentlich bei dir bedanken«, sagte sie und lächelte matt.
»Nilah, du musst noch einen Abgrund überspringen.«
»Was könnte ich jetzt noch tun? Ich kann kein weiteres Eisen mehr zerschlagen, dazu fehlt mir im Augenblick die Kraft.« Aber dann erhellte sich ihr Gesicht ein wenig. »Ich könnte Ahab, Queequeg und Sinuhe hier herführen. Sinuhe ist sowas wie ein Arzt, der könnte sich bestimmt gut um deine Wunden kümmern und Queequeg ist stark wie ein Stier. Er könnte all diese verfluchten Piken hier mit seiner Axt wie
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