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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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hatte keine Ahnung, ob die Bestie ihn wirklich angreifen würde; die Tageszeit stimmte nicht, und außerdem war er kein Mensch. Aber wusste sie das?
Interessierte
es sie?
    Alebin blieb unter Wasser, solange es irgend ging. Rote Lichter pulsten schon vor seinen Augen, und die Lungen drohten ihm zu zerspringen, als er endlich nach oben kam. Von schäumenden Kaskaden umringt, stieß er hoch durch die Wellen, keuchend, rang nach Luft. Alebin ruderte mit den Armen, um nicht erneut zu versinken. Mühsam begann er, sich umzudrehen. Noch in der Bewegung sah er etwas Schwarzes aus den Augenwinkeln. »Ich bin ein Elf!«, brüllte er panisch. »Ein Elf! Ich habe nichts mit deinem verfluchten Dorf zu tun!«
    Und dann sah er sie.
    Alebin war so perplex, dass er einen Moment lang aufhörte zu rudern. Gluckernd versank er, kämpfte sich wieder hoch. Das Wasser stand ihm bis knapp unter die Nase, als er mit aufgerissenen Augen zum Ufer starrte.
    Auf dem Gras stand eine schwarz gekleidete Frau.
    Zumindest nahm er an, dass es sich um eine Frau handelte; verlässlich erkennen konnte er das nicht. Hoch aufgerichtet stand sie da, reglos, und blickte zu ihm. Sie war hager und sehr alt. Ihr Haar und das bodenlange Gewand wirkten seltsam ausgefranst, wie windzerzaustes Rabengefieder.
    Alebin sah auch das, was den Menschen verborgen blieb: Die Frau war von einer Aura umgeben! Fremdartig, dunkel und doch ein eindeutiger Hinweis darauf, aus welcher Welt sie stammte.
    »Was willst du von mir?«, schrie er sie an. Sie antwortete nicht.
    Alebins Jacke hatte sich bei seinem schwungvollen Auftauchen ausgebreitet und im Fallen etwas Luft eingefangen. Unförmig gebläht schaukelte sie auf den Wellen, von seinen Schwimmbewegungen zusätzlich hin und her gezogen. Irgendwann hatten die gefangenen Luftblasen den Stoffrand erreicht und rauschten blubbernd in die Freiheit zurück. Alebin sank wie ein Stein. Als er wieder an die Oberfläche kam, war die unheimliche Frau verschwunden.
    »Mist! Mist! Mist!«, scholl es gedämpft durchs Moor. Auf dem lehmigen, windumspielten Weg nach Whispering Willows zog sich eine tropfenumspielte Fußspur dahin. An ihrem Ende trug Alebin seine Jacke vor sich her, ausgebreitet zwischen den Händen wie die
capa
der Toreros. Er wollte indes keine Stiere damit reizen, nur ein bisschen von der Sonne einfangen, die sich mittlerweile durch die dünne Wolkendecke gebrannt hatte. Licht und angenehme Herbstwärme lagen über dem Moor; es war, als ob sich der Oktober mit einem letzten schönen Tag verabschieden wollte.
    Alebin hatte keinen Blick für diese freundliche Fügung. Auch nicht für die leuchtenden Farben an Bäumen und Strauchwerk. Er starrte nur giftig auf seine triefende Jacke – die zwar warm, aber nicht trocken wurde –, während er in nassen Stiefeln Richtung Dorf marschierte. Bei jedem Schritt, jedem Zusammentreffen von Fuß und Leder entstanden Geräusche. Laut und peinlich. Alebin ging das Scheinpupsen auf die Nerven wie überhaupt alles an diesem Tag, und er hätte liebend gern ein paar ordentliche Flüche in die Landschaft gebrüllt. Doch es war ihm zu gefährlich. So schimpfte er nur halblaut vor sich hin.
    Die unheimliche Frau war kein zweites Mal aufgetaucht. Auch die Bestie hatte sich nicht blicken lassen; das änderte aber nichts an der Tatsache, dass sie irgendwo
war
, und sie schien nicht gewillt zu sein, ihn einfach gehen zu lassen. Warum sonst sollte sie ihn aufspüren? Wieso konnte sie das überhaupt?
    Möglicherweise war es nur Einbildung – vielleicht hatte das düstere Frauchen sie Gassi geführt, und es war ein reines Zufallstreffen gewesen. Doch auf
möglicherweise
hin traf Alebin keine Entscheidungen. Er hatte insgeheim gehofft, er könnte das Bodmin Moor ungehindert verlassen – vorzugsweise noch an diesem Vormittag, durch ein Elfenportal und am besten gleich nach Lyonesse. Dass sein verhakter Lebensfaden unterwegs reißen würde, war ihm bis zu seiner überstürzten Flucht in den Dozmary Pool schnurzegal gewesen: Der Fluch des Getreuen verhinderte Alebins Tod unter allen Umständen.
    Aber schloss dieses
unter allen Umständen
auch bestimmt die Bestie ein?
    Alebin musste sich eingestehen, dass er darauf keine Antwort hatte – und auch keine finden würde, solange er nicht wusste, was es mit dem Untier vom Bodmin Moor auf sich hatte. Doch kannte er jemanden, der ihm die benötigten Informationen geben könnte. Nicht Mistress Braxton oder einer ihrer Nachbarn. Alebin wollte keinen Fuß mehr in

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