Seidenfächer
Kupplerin unmöglich zustimmen. Ich war schwach vor Kummer, und in der Vergangenheit hatte ich mich schon zu häufig von Schneerose hereinlegen – in eine andere Richtung lenken, beeinflussen, überzeugen – lassen. Ich konnte es auch nicht riskieren, Schneerose mit ihren Schwurschwestern zu sehen. Es quälte mich schon genug, wenn ich mir ihr heimliches Flüstern und ihre Zärtlichkeiten vorstellte.
»Ehrenwerte Frau Wang«, sagte ich, »ich würde meine Tochter niemals so erniedrigen, dass ich sie mit der Brut eines Metzgers zusammenbringe.«
Ich war absichtlich gehässig und hoffte, die Heiratsvermittlerin würde das Thema wechseln, doch sie fuhr fort, als hätte sie mich nicht gehört: »Ich erinnere mich an euch beide als Kinder. Als ihr über eine Brücke gegangen seid, habt ihr euch im Wasser darunter gespiegelt – ihr wart gleich groß, eure Füße waren gleich lang, und euer Mut war gleich stark. Ihr habt euch Treue geschworen. Ihr habt euch versprochen, ihr würdet nie einen Schritt auseinander, sondern für immer zusammen sein, nie getrennt, nie fern voneinander...«
Ich hatte all diese Dinge ehrlichen Herzens geschworen, aber was war mit Schneerose?
»Ihr wisst nicht, wovon Ihr redet«, sagte ich. »An dem Tag, an dem Eure Nichte und ich den Vertrag unterzeichnet haben, habt Ihr gesagt: ›Hier sind Konkubinen nicht erlaubt.‹ Erinnert Ihr Euch daran, alte Frau? Nun geht und fragt Eure Nichte, was sie getan hat.«
Ich warf der Kupplerin den Fächer in den Schoß und wandte das Gesicht ab. Mein Herz war so kalt wie das Flusswasser, das mir früher über die Füße lief. Ich spürte den Blick dieser alten Frau auf mir ruhen. Sie überlegte, wunderte sich, grübelte, aber sie hatte nicht mehr den Willen weiterzumachen. Ich hörte, wie sie sich wacklig erhob. Sie durchbohrte mich weiter mit Blicken, aber ich ließ mich nicht erweichen.
»Ich werde Eure Nachricht überbringen«, sagte sie schließlich, und in ihrer Stimme lagen eine Freundlichkeit und ein tiefes Verständnis, die mich rührten, »doch eines müsst Ihr wissen. Ihr seid ein besonderer Mensch. Das habe ich vor langer Zeit erkannt. In unserem Landkreis werdet Ihr überall um Euer Glück beneidet. Jedermann wünscht Euch ein langes Leben und Wohlstand. Aber ich sehe, wie Ihr zwei Herzen brecht. Das
ist sehr traurig. Ich erinnere mich noch an das kleine Mädchen, das Ihr wart. Ihr hattet nichts als zwei hübsche Füße. Nun habt Ihr Überfluss in Eurem Leben, Dame Lu – einen Überfluss an Bosheit, Undankbarkeit und Vergesslichkeit.«
Sie humpelte zur Tür hinaus. Ich hörte, wie sie in ihre Sänfte stieg und den Trägern befahl, sie nach Jintian zu bringen. Ich konnte es nicht fassen, dass ich ihr das letzte Wort gelassen hatte.
Ein Jahr verging. Der Tag des Sitzens und Singens im oberen Gemach von Schneeroses Cousine nebenan kam. Ich war immer noch am Boden zerstört, und in meinem Kopf schlug ein endloser Rhythmus – ta dam, ta dam, ta dam -, wie ein Herz oder der Gesang einer Frau. Schneerose und ich hatten vorgehabt, gemeinsam zu der Feier zu gehen. Ich wusste nicht, ob sie noch kommen würde. Wenn sie es tat, dann hoffte ich, dass wir eine Konfrontation vermeiden konnten. Ich wollte nicht mit ihr streiten, wie ich mit meiner Mutter gestritten hatte.
Der zehnte Tag des zehnten Monats kam – ein gutes, günstiges Datum für das Nachbarmädchen, um mit ihren Hochzeitsvorbereitungen zu beginnen. Ich ging nach nebenan und hinauf ins obere Gemach. Die Braut sah hübsch aus, sehr bleich. Ihre Schwurschwestern saßen um sie herum. Ich entdeckte Ehrenwerte Frau Wang und daneben Schneerose: sauber, die Haare zurückgesteckt, wie es für eine verheiratete Frau geziemend war, und sie trug eines der Kleider, die ich ihr geschenkt hatte. Die empfindliche Stelle über dem Magen, wo meine Rippen zusammenliefen, zog sich zusammen. Das Blut schien aus meinem Kopf zu weichen, und ich fürchtete schon, ich würde ohnmächtig werden. Ich hatte keine Ahnung, ob ich diese Zeremonie mit Schneerose im selben Raum durchstehen und gleichzeitig meine Würde als Frau bewahren konnte. Ich warf schnell einen Blick auf die anderen Gesichter. Schneerose hatte
Weide, Lotos und Pflaumenblüte nicht mitgebracht. Erleichtert atmete ich aus. Wenn eine von ihnen hier gewesen wäre, ich wäre davongelaufen.
Ich setzte mich gegenüber von Schneerose und ihrer Tante. Zu der Feierlichkeit gehörten die üblichen Gesänge, Klagen, Geschichten und Späße. Dann bat
Weitere Kostenlose Bücher