Seidenfpade
heißen«, wandte er leise, aber deutlich ein.
»Es wird keine peinlichen Verhöre geben«, versicherte Katja ihm. »Ein Freund von uns hat Ihren Namen von der Schwarzen Liste des Computersystems der amerikanischen Einwanderungsbehörde gelöscht.«
Etwas wie Feindseligkeit oder Respekt flackerte kurz in Lius Augen auf.
»Woher wissen Sie von dem Baby in meiner Familie?« fragte Liu. Katja ließ ihr charmantes Lächeln absichtlich eine Sekunde lang verschwinden. In diesem Moment war die skrupellose Intelligenz, die sie hinter ihrer Schönheit versteckte, deutlich zu erkennen.
Sie wollte, daß Liu genau wußte, wer die Instanz war, die hinter der Harmony steckte.
»Es ist mir ein Bedürfnis«, murmelte sie, »alle meine Freunde auf bestmögliche Weise zufriedenzustellen.«
»Solange niemand Ihnen in die Quere kommt, nehme ich an?« konterte Liu.
»Genau, Mr. Liu. Aber ein intelligenter Mann braucht sich über so etwas nie Gedanken zu machen.«
Katjas Lächeln war wieder auf seinem Platz, ebenso wie ihre entzückende Fassade. Ihre wunderschönen grünen Augen strahlten verführerisch, und ihr Haar leuchtete wie die Nachmittagssonne.
Liu konnte kaum glauben, daß dies dieselbe Frau war, die ihn noch vor einem Moment mit der Intelligenz eines Menschen und den Emotionen einer Schlange in Bann schlug.
»Sie sind ziemlich klug, nicht wahr?« fragte er nachdenklich.
»Frauen müssen sich klug verhalten, weil Männer immer stark sind.«
Liu blickte wieder auf seinen Paß. Er sann darüber nach, wie Katja von seinen bisherigen erfolglosen Bemühungen um die kanadische Staatsbürgerschaft erfahren haben konnte. Und wie er sie dermaßen hatte unterschätzen können.
Dann fragte er sich, warum sich Katja Pilenkowa gerade jetzt entschlossen hatte, ihm ihr wahres Gesicht zu zeigen.
»Ich bitte um Entschuldigung!« Boston trat hinzu.
Katja blickte auf und maß Boston mit einem Blick, der ihm ihr gesammeltes Mißfallen verriet.
»Ein Anruf für Sie«, sagte er entschuldigend.
Da glitt ein eigenartig erwartungsfroher Ausdruck über Katjas Züge. Es gab nur einen Anrufer, der eine derartige Unterbrechung rechtfertigte.
Ilja, dachte sie aufgeregt. Endlich!
6
Die Hausherrin eilte aus der Halle zu ihrem Büro, das in einem abgelegenem Nebenflügel lag und nur durch ein Lanai, einen überdachten Gang, mit dem pompösen Haupthaus verbunden war. Ihre Privaträume befanden sich ebenfalls dort.
Wenn Katja arbeitete oder ihren gefährlichen Liebhaber empfing, wollte sie in vollständiger Abgeschiedenheit sein. Ihre isoliert gelegene Privatsuite garantierte dies.
Das Lämpchen an ihrem persönlichen Telefon blinkte. Mit nervös zitternden Händen nestelte sie an ihrem rechten Ohrring herum, bis sie das aus einem russischen Diamanten und einem kolumbianischen Smaragd bestehende Schmuckstück entfernen konnte. Sie legte ihn auf den Tisch neben ihrem Computer.
Rein aus Gewohnheit schaltete Katja das Tonbandgerät an. Als sie den Hörer abnahm, verriet ihr das hohle Rauschen in der Leitung, daß der Anruf von weit her kam.
Sie versuchte ihre freudige Erregung zu zügeln, schaffte es aber nicht.
»Ilja?« fragte sie heiser. »Bist du das?«
Der Name hallte in der Leitung.
»Keine Namen, Weib«, sagte Ilja Kasatonin abweisend. »Die Computer der Vereinigten Staaten hören immer zu.«
Katja wurde rot. Diese Ermahnung hätte eigentlich überflüssig sein sollen. Sie wußte sehr wohl, daß die amerikanischen Sicherheitsbehörden jedes internationale Ferngespräch überwachten, und die örtlichen Behörden taten wahrscheinlich desgleichen.
»Es tut mir leid«, sagte sie ruhig. »Ich werde es nicht wieder vergessen.«
Im Grunde war Katja wie Tony Liu. Sie verbarg sorgfältig ihre Emotionen. Der Männerwelt begegnete sie im allgemeinen mit Verachtung - allen, außer einem.
Und dieser befand sich am anderen Ende der Leitung.
»Schon gut«, beschwichtigte Kasatonin. »Ich hätte auch nicht gedacht, daß meine Kleine verrückt ist.«
»Nur nach dir, Liebster. Deinetwegen habe ich mir Sorgen gemacht. Du erwartest doch von mir, daß ich mich sorge, oder nicht? Wo bist du?«
Ein hartes, tiefes Rasseln hallte über die Kontinente.
»Genau da, wo ich sein soll«, scherzte Kasatonin.
»Dann hast du also ... dann hast du es?«
Wieder lachte er.
»Aber natürlich«, sagte Kasatonin.
»Aber natürlich«, äffte Katja ihn nach. »Warum rufst du dann erst so spät an, mein Bester?« »Es gab ein kleines Problem.«
Katja hielt den
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