Seidenfpade
entriß, war kein Tibeter«, sagte Shane. »Er ist wohl kaum in Tibet geblieben.«
Dhamsa sagte rasch etwas in seinem Idiom.
»Aber warum sollte man die Seide aus der Heimat fortbringen?« übersetzte Pakit alarmiert. »Dort wird dieses Objekt angebetet. Buddhas Seide aus Tibet zu entfernen wäre, wie wenn man das Heilige Grab aus Jerusalem wegschaffte. Einfach sinnlos!«
Dani warf dem jungen Mönch einen überraschten Blick zu. »Sie haben Ihrer Heiligkeit doch sicher von Kunstsammlern erzählt?«
»Ich ...« Pakits Stimme erstarb. Er sah zutiefst besorgt aus. »An Sammler habe ich in Verbindung mit der heiligen Reliquie nie gedacht, um ehrlich zu sein.« »Dann sind Sie doch mehr Buddhist als modern, trotz Ihres Studiums in Stanford«, stellte Shane fest.
»Sammler«, sagte der Lama. »Erklären bitte!«
»Es gibt auf der ganzen Welt Sammler von Seidenstoffen«, begann Dani. »Antike Seidenstoffe können ebenso wertvoll sein wie Gemälde von alten Meistern oder griechische Marmorbüsten aus der Zeit des Perikies.«
Dhamsa wurde ganz still. Er sah aus, als würde er Kraft schöpfen für einen Kampf, der ihn zerstören konnte.
»Die Japaner sind besonders leidenschaftliche Sammler«, fuhr die Archäologin fort. »Sie verfügen über die geschichtlichen Kenntnisse, um antike Seidenstoffe richtig einzuschätzen -außerdem über den Stolz wahrer Kunstsammler sowie das Geld, die Preise für gewisse Textilien in die Hunderttausende von Dollars zu treiben.«
»Was könnte geschehen, wenn der Dieb mit solch weltlichen Raffzähnen in Verbindung stand?« fragte Pakit.
»Die Seide würde höchstwahrscheinlich an den Meistbietenden verkauft werden«, erwiderte Dani schlicht.
»Wie?« fragte Pakit. »Sie ist so empfindlich ...«
Shane musterte den jungen Mönch eher mitleidig als ungeduldig.
»Die Diebe waren sehr sorgsam mit der Seide«, beschwichtigte Shane ihn. »Das stimmt doch, Dani, nicht wahr?«
Diese beschloß taktvoll, Fengs Inkompetenz nicht zu erwähnen.
»Aber natürlich«, sagte sie. »Das Objekt hätte keinen Wert mehr, wenn es nur noch ein Haufen zerfallender Fäden wäre.«
Pakit blickte sie entsetzt an. Dhamsa wirkte auf einmal um Jahre gealtert.
»Sie erwähnten Auktionen?« fragte Pakit schwach.
»Wenn man die Historie der Seide in Betracht zieht«, wiegelte Dani ab, »und die Art, wie sie aus Ihrem Orden gestohlen wurde, glaube ich nicht, daß sie bei einer Auktion auftaucht.«
»Warum nicht?« fragte Cassandra.
»Zu auffällig«, erläuterte Dani. »Zu gefährlich, daß der Verkauf dieser Reliquie an die Öffentlichkeit dringt. Dann gäbe es in der Tat unheiliges Schlamassel.«
»Die Seide würde konfisziert und an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden«, pflichtete Cassandra ihr bei. »Mit entsprechend devoten Entschuldigungen von allen Beteiligten.«
Dani nickte. »Deshalb wird man die Seide wahrscheinlich nur unter der Hand ein paar äußerst diskreten Sammlern anbieten. Vielleicht ist sie sogar laut Auftrag gestohlen worden.«
»Erklären«, sagte Dhamsa prompt.
»Die Diebe hatten womöglich einen festen Kunden im Auge, bevor sie sich ans Werk machten«, sagte Dani.
»Aber was ist mit Museen?« drängte Pakit. »Vieles von dem, was man heute in Museen findet, wurde ursprünglich gestohlen.«
»Einige mögen es so sehen«, hielt Dani sich zurück. »Andere nicht. Auf jeden Fall werden neuere Kunstdiebstähle als Raub gewertet, und als nichts anderes.«
»Dann würde kein Museum die Seide akzeptieren?« fragte Pakit verzweifelt.
»Höchst unwahrscheinlich. Warum?«
»Ein Museum oder eine Universität würde sich des Gewebes annehmen«, stammelte Pakit jetzt. »Diebe und Sammler, die von Dieben kaufen ... wer weiß, wie die mit kostbaren alten Stoffen umgehen?«
»Deshalb müssen wir das Tuch ja auch so rasch wie möglich wiederbeschaffen«, sagte Cassandra.
»Es wäre besser gewesen, wenn Mr. Crowe es gar nicht erst verloren hätte«, trotzte Pakit.
»Shane hat die Seide nicht verloren«, korrigierte Dani. »Ich war das.«
Pakit schüttelte bloß den Kopf, überwältigt vom Ausmaß der Katastrophe.
»Prasam Dhamsa«, schaltete Shane sich ein, »Euer Orden wird in ganz Tibet hoch verehrt. Ihr und andere Tibeter hört Dinge, die hilfreich sein könnten, selbst wenn sie Euch vorerst noch unwichtig erscheinen.«
Dhamsa nickte sofort.
»Habt Ihr kürzlich etwas von einer ungewöhnlichen Pilgergruppe erfahren oder von Überlandlastern?« hakte Shane
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