Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi
vermisst gemeldet hatte. Auch Goekens Exfrau war noch nicht wieder aufgetaucht, hatte die Kollegin aus Spaichingen bedauernd gemeldet.
Die können doch nicht alle vom Erdboden verschluckt sein, dachte Fischer wütend. Es muss doch Leute geben, die uns weiterhelfen können. Lieber Gott, dachte er, obwohl er schon lange nicht mehr an diese Instanz glaubte, bitte lass Sabine wieder auftauchen und bitte nicht verkohlt in der Pathologie liegen.
Der Aufzug ließ auf sich warten. Fischer nahm den fremden und gleichzeitig vertrauten Geruch nach Bohnerwachs und Kaffee, Staub und Nässe im Flur des KK 11 wahr. Nun hatte er das erste Mal seit einigen Monaten wieder längere Zeit hier verbracht. Es war ein seltsames Gefühl.
Offiziell war Fischer noch nicht wieder im Dienst, aber ihm war klar, dass er an den Ermittlungen weiterhin teilnehmen würde, auf jeden Fall so lange, bis sie wussten, was mit Sabine geschehen war.
Fischers Wagen stand auf dem Parkplatz hinter dem Präsidium. Er stieg ein, startete das Auto, trat fest auf die Bremsen. Ein Verrückter hatte vor einiger Zeit einmal die Bremsen manipuliert, und das Gefühl, die Kontrolle über den Wagen zu verlieren, war so schrecklich gewesen, dass es ihn immer noch verfolgte. Er fuhr auf die Oststraße, bremste wieder. Erst dann konnte er einigermaßen beruhigt die Heimfahrt antreten.
Der Regen hatte aufgehört, der Asphalt glänzte nass im letzten Licht des Tages. Jürgen Fischer folgte der Moerser Straße und bog im Kreisverkehr auf die Moerser Landstraße ab. Im Kreisel vor Haus Ritte waren immer noch Müll und Unrat des Kinderkarnevalszuges zu sehen, der vor zwei Wochen stattgefunden hatte. Die Polizei und der Verberger Karnevalsverein würden sich treffen, um über Konsequenzen zu reden. Schon jetzt wurde laut darüber nachgedacht, den Kinderzug ganz abzuschaffen.
Als ob das etwas ändern würde, dachte Fischer. In den letzten Jahren waren mehr und mehr Jugendliche zum Verberger Kinderzug gekommen – um sich zu betrinken. Es war ausgeartet, Komasaufen, Fäkalien und jede Menge Müll waren das Ergebnis. Den Kreisel vor Haus Ritte hatte man in diesem Jahr gesperrt, was aber nur dazu führte, dass die Jugendlichen einige hundert Meter weiter die Vorgärten verwüsteten. Und jetzt auch noch diese Facebook-Feten, dachte Fischer. Florian, das wusste er, war auch bei Facebook. Ansonsten wusste er nicht wirklich viel von seinem Sohn. Das muss sich ändern, dringend, sagte er sich.
Er fuhr an Traar vorbei. Die Eisdiele hatte schon geöffnet, die Tische und Stühle standen bereits draußen. Noch lud das Wetter nicht dazu ein, sich dort niederzulassen. Nach dem Guss am Nachmittag nieselte es nun. Doch für die nächsten Tage war warmes Wetter angesagt.
Er fuhr weiter, setzte den Blinker und bog auf den Stellplatz der Doppelhaushälfte ein, die Martina und er seit dem letzten Jahr bewohnten.
Vor der Tür stand ein älterer Mann mit einem großen Hund.
»Verdammt«, fluchte Fischer und stieg aus dem Wagen. »Jakob, hallo.«
Der alte Mann drehte sich um und musterte Fischer durch die dicke Bifokalbrille. »Jürgen. Ben und ich wollten gerade gehen.«
»Ich habe völlig vergessen, dass Sonntag ist.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Martina hat mir erzählt, dass du wieder im Dienst bist.«
»Noch nicht offiziell, aber … eine Kollegin …«
»Ja, ich weiß.« Der Mann nickte.
Vor ein paar Jahren war Jakob Schink Zeuge in einem Fall gewesen. Nach den dramatischen Vorfällen im letzten Frühjahr hatte Fischer Schink des Öfteren besucht. Sie vertieften ihre Bekanntschaft, wurden Freunde. Seit einigen Monaten trafen sie sich jeden Sonntag und spielten Schach.
»Wahrscheinlich ist es gut für dich, so schnell wieder einzusteigen. Dir hat die Arbeit gefehlt, auch wenn du das meistens nicht wahrhaben wolltest.« Schink nickte nachdenklich. »Nun ja, Martina wartet schon. Wir holen das Spiel einfach nach.«
»Danke!«
Schink drehte sich um und ging langsam den Weg entlang, sein Hund trottete neben ihm her. Er wohnte unterhalb der Elfrather Mühle und genoss die Spaziergänge zu Fischers Haus.
Tut es mir wirklich gut, so schnell in den Job zurückzukehren?, fragte sich Fischer. Obwohl Jakob Schink schon älter war und durch seine dicke, zweigeteilte Brille so wirkte, als bekäme er kaum noch etwas mit, hatte er eine erstaunliche Auffassungsgabe.
Fischer schloss die Tür auf. Er hörte den Fernseher im Wohnzimmer.
»Hallo?«
Martina kam ihm entgegen, küsste ihn und
Weitere Kostenlose Bücher