Sein
Von der Querstange, die die beiden Pfosten knapp unter der Decke verbanden, hingen zwei starke Ketten herab. Mehrere Metallösen an den Stützen boten die Möglichkeit, dort etwas – oder besser jemanden – anzubinden, so wie im Augenblick Nadine. Splitternackt, mit verbundenen Augen und ledernen Fesseln an den Handgelenken.
Wie lange sie wohl schon wartet?
, überlegte Myriam.
Und auf was? Kein Wunder, dass ich sie nirgends finden konnte
.
Auch wenn ihr Verstand widersprach, musste sie sich eingestehen, dass der Anblick dieser nackten, gefesselten, hilflosen Frau durchaus auch Sinnlichkeit ausstrahlte. Die nach hinten gestreckten Arme hoben ihre Brüste besonders reizvoll hervor.
Laurin bahnte sich seinen Weg durch die Menge und schaute einmal kurz rundum, bis er Myriam entdeckte. Bildete sie sich das ein, oder verharrte sein Blick besonders lange auf ihr? Seine Lippen waren zu einem spöttischen Lächeln verzogen. Abrupt drehte er sich um und zog Nadine das Tuch von den Augen.
»Du weißt, warum wir uns hier versammelt haben?«
»Ja, Meister.« In Nadines Stimme lag ein Zittern.
»Erzähl allen, welche Schuld du auf dich geladen hast – Sklavin.«
Die deutliche Betonung ging Myriam durch und durch.
Sklavin
. Bitterkeit stieg in ihr auf. Gewiss, soviel hatte sie gelesen, dass die Subs auch gerne als Sklaven bezeichnet wurden und vielleicht sollte sie dies nicht überbewerten. Aber dieser Begriff hatte einen geschichtlich bedingt negativen Beigeschmack, der ihr missfiel.
Nadine schluckte sichtlich, als sie Myriam entdeckte, die ihr genau gegenüber stand, und schaute schnell zu Boden. »Ich bekenne mich schuldig. Ich habe für heute Abend einen Gast eingeladen, ohne zuvor meinen Herrn um Erlaubnis zu fragen, ob dies okay ist.«
»Aha. Und warum ist dieses Vergehen besonders schlimm? Sind wir denn nicht offen für neue Freunde?« Laurins Stimme hatte eine für Myriam überraschende Schärfe angenommen.
»Sie gehört nicht zu uns. Sie ist keine Domina und sie ist auch keine Sub. Und ich glaube, sie will das auch gar nicht. Ich – hab sie einfach eingeladen, ohne nachzudenken, nur weil wir uns von früher kennen.«
Allgemeines Tuscheln setzte ein, ohne dass einzelne Worte zu verstehen waren, und Myriam war klar, dass jeder hier wusste, dass sie gemeint war. Alle waren also eingeweiht gewesen, auch Ruben, und dieser hatte sie eben deshalb an diesen Platz, genau gegenüber von Nadine geführt.
Trotzig schob sie ihre Unterlippe vor und drückte ihr Kreuz mehr durch. Was gingen sie diese merkwürdigen bescheuerten Regeln an? Es war nicht ihre Schuld, wenn Nadine einen Fehler begangen hatte und dafür bezahlen würde. Auch wenn dieser Gedanke als solches absurd war. Und überhaupt, was von dem, was hier ablief, war nur inszeniert, nur eine Show, und was war – ihr fehlten dafür die passenden Worte. Instinktiv suchte sie die gegenüberliegende Wand und die Zimmerecken nach versteckten Kameras ab.
Verstehen Sie Spaß?
Es war aber keine Kamera zu entdecken.
»Ich bitte um eine gerechte Bestrafung, Herr«, sagte Nadine, jetzt mit fester Stimme, wobei sie Laurin anschaute. Konnte es denn sein, dass sie sich das wirklich wünschte oder reagierte sie nur den Spielregeln gemäß?
Ihr Dom nickte zustimmend. Wie hätte er wohl reagiert, wenn Nadine sich störrisch angestellt oder geheult hätte?
Verdammt, interessiert mich das überhaupt? Wer so etwas macht, ist doch nicht ganz sauber im Kopf
.
Oh ja
, meldete sich eine leise Stimme irgendwo tief in ihrem Kopf,
ich wüsste wirklich zu gerne, was in jedem einzelnen Fall geschehen würde. Und was ist heutzutage schon normal?
Laurin löste die Fesseln. Auf eine Geste von ihm hob Nadine ihre Arme hoch und stellte sich unter die herabhängenden Ketten. Der Dom verband Fesseln und Ketten über Karabinerhaken und zog anschließend die Ketten stramm, so dass Nadine mit hoch erhobenen Armen zwischen dem Gestell fixiert war.
Wie oft sie das wohl schon gemacht hat?
Myriams Herz schlug immer schneller. Was ging hier ab? Auf eine Geste von Laurin spreizte Nadine ihre Beine. Unter ihrem nackten Venushügel waren nun ihre Schamlippen zu sehen.
Wortlos zog Laurin ein sorgfältig zusammengelegtes weißes Stofftaschentuch aus der Hosentasche, presste es Nadine auf den Unterleib und zeigte es dann in die Runde. Nichts war zu sehen. Was wollte er damit demonstrieren?
Du meine Güte, wenn ich mir vorstelle, ich würde dort stehen. Nackt und ausgeliefert. Was würden sie mit mir
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