Seine einzige Versuchung
Zeichen, dass sie nicht weiter fragen solle und ging zum Waschtisch. Elli hörte das Plätschern des Wassers. Er kam zurück mit aufgekrempelten Ärmeln und offener Weste. Sein Jackett warf er nachlässig über eine Stuhllehne. Zurück an ihrem Bett setzte er sich wieder auf die Kante und begann, ihr den Rock auszuziehen. Das heißt, er versuchte es, doch Elli hinderte ihn, weiter zu machen, indem sie seine Handgelenke festhielt.
„Aber Elli, das ist doch nicht das erste Mal, dass ich Dich nackt sehen werde.“
„Nein, aber erst das zweite Mal, und ich bin nicht so unbefangen auf diesem Gebiet wie Du es aufgrund Deiner langjährigen Erfahrung zu sein scheinst!“
„Oha - sie ist schon wieder eifersüchtig auf meine unrühmliche Vergangenheit… Du bist sehr süß, wenn Du Dich so aufregst. Ich muss es Dir wohl noch sehr oft sagen, dass Du keinen Grund zur Eifersucht hast.“ Nichts konnte sie mehr überzeugen als der nun folgende, sinnliche Kuss. „Im Übrigen war das heute nicht das erste Mal, dass ich Dich nackt gesehen habe…“ Er lächelte schelmisch.
„Wie bitte? Aber das hätte ich doch bemerkt… Du willst mich nur wieder zum Narren halten!“
„Nein, es ist die reine Wahrheit! Ich schwöre!“ Er machte eine entsprechende Geste mit zwei Fingern.
„Wie sollte das möglich sein? Hast Du mich etwa heimlich durchs Schlüsselloch beobachtet wie dumme Schuljungen es tun?“
„Ich mag mich ja bisweilen wie ein dummer Schuljunge aufgeführt haben, aber des Voyeurismus habe ich mich bislang noch nicht schuldig gemacht - ich bin gar nicht auf die Idee gekommen… Seltsam, für so etwas bin ich wohl doch schon zu alt.“ Elli nickte zustimmend:
„Dazu sage ich jetzt lieber nichts…“
„Das möchte ich Dir auch geraten haben! Sonst hagelt es Strafküsse!“
„Oh ja, mein greisenhafter Mann!“ Er setzte seine Drohung in die Tat um, bis Elli atemlos um Vergebung bat: „Ich nehme alles zurück!“
„So, wo waren wir stehen geblieben? Hilf‘ dem alten Mann bitte mal auf die Sprünge.“
„Du wolltest mir mitteilen, bei welcher Gelegenheit Du mich angeblich nackt gesehen hast.“
„Ja, Zeit für weitere Geständnisse, meine Liebe. Du bist wahrscheinlich schockiert, das zu hören, aber ich habe schon eine ziemlich genaue Vorstellung von Deinem Körper, seit Du bei Deinen Eltern in den See gefallen bist. Das nasse Kleid klebte so hauteng an Dir, dass es nicht viele Fragen offen gelassen hat …“
„Du hättest ja nicht hinzusehen brauchen!“
„Wie hätte ich da meinen Blick abwenden können? Kannst Du mir das mal verraten?“
„Und deshalb hast Du mich so angesehen?“
„Wie habe ich Dich denn angesehen?“
„So… so… durchdringend…“
„Ich hatte zugegebenermaßen schon damals Gefühle, für die ich mich schämte, weil ich sie nicht haben wollte für die Tochter eines Freundes… Aber am schlimmsten war es in der Nacht nach dem Karnevalsball.“
„Warum schlimm ? Ich dachte immer, Männer sind ganz versessen darauf, nackte Frauen zu sehen?“
„Da liegst Du vollkommen richtig. Aber wenn die Versessenheit umschlägt in animalische Triebe, wird es gefährlich.“
„Ich verstehe nicht ganz…“ Sein Gesicht bekam einen nachdenklichen Ausdruck:
„Wir kamen nach Hause. Ich war in Rage wegen des vertraulichen Umgangs zwischen Dir und… Kabus . Ich stellte Dich zur Rede, doch Du bist mir ausgewichen. Du hast meine Zweifel als unbegründet dargestellt, konntest sie aber für mich nicht überzeugend genug ausräumen. Als Du bereits schlafen gegangen warst, habe ich versucht, zu arbeiten, doch es ging nicht. Ich war wütend - auf Dich, auf ihn, auf mich selbst, die vielen verpassten Gelegenheiten, meine Feigheit… In meinem Zorn fegte ich alles vom Schreibtisch. Der Lärm muss Dich geweckt haben, und dann standest Du plötzlich vor mir im Türrahmen mit offenen Haaren und: nackt! “
„Aber das stimmt doch gar nicht - ich hatte doch mein Nachthemd an! Du fanta-…“ Elli wollte gerade ansetzen, ihm eine zu bunte Fantasie zu unterstellen, als er sie unterbrach:
„Warte! Hör‘ mir zu. Du hast es nicht bemerkt, weil Du vom Licht im Flur angestrahlt wurdest und ich im Dunkeln saß. Das Licht schien durch Dein Nachthemd, und ich konnte alles sehen, und ich meine wirklich: alles! “
„Oh… Ich verstehe…“ Abermals unterbrach er sie:
„Nein, Du verstehst nicht! Es war das Paradies und zugleich der tiefste Abgrund. Endlich war ich so nah am Ziel,
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