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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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verständnisloser Blicke aus, dass noch keiner zweimal gefragt hat.
    - Wenn nicht ein Kahn, ja. Eine Yacht, natürlich. So ein richtig protziges Scheißding, in einem wohlklingenden Mittelmeerhafen fest vertäut, möglichst nah neben denen von Kashoggi oder Agnelli oder Trump. Zur Not würde ich bis Cannes oder weiter fahren, kein Problem.
    »Tsch-tschweifümpfundtschwantschich.« Man muss Hasso Kottge einmal sich sinnlos betrunken ereifern gehört haben, um zu wissen, dass sein üblicher Sprachfehler eigentlich noch kein ernst zu nehmendes Handicap darstellt.
    Irgendjemand hatte einen KFZ-Schein herumgereicht, damit die Kilowatt-Diskussion fürs Erste beendet und Walter für kurze Zeit das Maul gestopft. Na ja, fast. Über sein beleidigtes, nur halb überzeugtes Gebrummel hinweg hatte der Lange Hans jetzt das Wort an sich gerissen. Mit Nitroglyzerin habe er seinen Pudel reinigen müssen, behauptete er hartnäckig, allen Hohngeschreis zum Trotz, nachdem ihn die dämlichen Dachdecker versehentlich voll Teer gekleckert hatten. Mit Nitroglyzerin, jawohl, anders wäre das Zeugs nicht aus dem Fell zu kriegen gewesen.
    - Oder eben ein Tier. Ein ganz auf Herrchen fixierter Köter, ein verwöhntes Aas von einer fusselhaarigen Katze, ein durch Inzucht schwachsinniger Gaul von ach so edlem Geblüt.
    Mit meinem Bier in der ungewohnten Hand ließ ich mich, ein paar Schritte weiter, auf einem Drahtstuhl nieder, der, wie das gesamte Terrassenmobiliar von Kottge, ursprünglich einmal Teil der einen oder anderen städtischen Grünanlage gewesen war, und ließ Blick und Gedanken schweifen.
    »Mit Nitroglyzerin, wenn ich's doch sage! Da kannze meine Frau fragen.«
    - Oder eine Frau, vielleicht. Eine Gattin, schön und angebetet, die sich durch gezielte Indiskretionen in eine sündteure Scheidungsschlacht hetzen ließe, dachte ich, als hinter mir Walter wieder in den Ring hechtete und eine neue Runde einläutete im Kampf um das verbale und intellektuelle Oberwasser.
    »Jaul!«, schallte es über die still dahinfließende Ruhr, »datt heißt jetz Jau-aul, unn nichmehr Kallohrien. Die nennen jetz nich nur die PS um, die Idioten, sondern alles, alles! Darum heißtatt ja neuerdinks auch Hektor Pascal unn nichmehr . nichmehr .« Walters Organ sank wieder zurück, verschmolz erneut mit dem allgemeinen, instinktiv widersprechenden Krakeel.
    - Und wenn das mit der Gattin nicht klappen sollte, gab es ja vielleicht einen verhätschelten Sohn / eine verzogene Tochter, der oder die Urlaub in einem Land mit antiquiertem Strafvollzug macht und dort - für alle überraschend - als Besitzer einer größeren Menge verbotener Substanzen oder regierungsfeindlicher Flugblätter verhaftet wird. Ich war schon länger nicht mehr auf Reisen gewesen. Ups, war das Bier wirklich schon alle? Gar nicht gemerkt. Noch eins? Eins noch. Auch die Pillen schienen allmählich zu wirken; das Gefühl, ein tollwütiger Pitbull habe sich in meine Hand verbissen, ebbte ganz langsam ab. Also, eins noch, dann nach Hause und ins Bett. Ausschlafen, Kräfte sammeln. Denn für all das wären intensive Recherchen vonnöten, wollte ich Siegfried König auch wirklich da treffen, wo es am wehesten tat. Gleich morgen früh würde ich mich energisch dranmachen. Gleich morgen früh . Erst mal ein paar Telefonate führen . Telefonate .
    Plötzlich schoss mir Ursel Sentz durchs Hirn. Fast vergessen. Musste ich unbedingt anrufen. Ob das jetzt noch ging? Um die Uhrzeit? Vielleicht war ihr Alter ja längst wieder daheim? Und was, wenn nicht? Was sollte ich ihr sagen? >Bin ganz nah dranPSI< -Fraktion wie die Verfechter der >BAR< -Doktrin taten sich schon von der vokalen Durchsetzungsfähigkeit her schwer gegen die Anhänger der konservativen >ATÜ< -Partei, die, anstelle mühsamer Überzeugungsarbeit, auf die Kraft der Wiederholung setzten, bis sie sich anzuhören begannen wie ein herannahender Löschzug. Ich blieb noch einen Moment in der Türe stehen, einerseits, um etwas Luft hineinzulassen, andererseits auch abwartend, bis sich die

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